Marc Lippuner
Die Lektüre des aktuellen Preisträgers des Deutschen Buchpreises habe ich immer wieder vor mich her geschoben, gewollt bombastisch, zugleich jedoch ungewollt trocken erschien mir die Ankündigung als großer europäischer Roman, der „einen weiten Bogen zwischen den Zeiten, den Nationen, dem Unausweichlichen und der Ironie des Schicksals, zwischen kleinlicher Bürokratie und großen Gefühlen“ spanne. Nun… bombastisch ist er gleich im doppelten Sinn, trocken hingegen überhaupt nicht. Im Gegenteil: Menasse hat einen äußerst unterhaltsamen, von feiner Ironie durchsetzten Roman geschrieben, der sich überraschend leicht liest. Die Protagonisten sind eine ehrgeizige, griechische Kulturbeauftragte der EU und ihr Team, ein belgischer Kriminalkommissar, der aus politischen Gründen einen Mordfall ruhen lassen soll, ein polnischer Profikiller, der falsche Fährten legt, ein österreichischer Professor für Volkswirtschaft, der eine denkwürdige Rede hält, einer der letzten Überlebenden von Auschwitz, der langsam dement wird, sowie ein Schwein, das durch die Straßen von Brüssel läuft und keiner weiß wieso. Nach 450 Seiten weiß man jedoch, dass diese Melange ganz fabelhaft zusammenpasst – wenngleich Menasse auf den Handlungsstrang mit dem Killer gut und gerne hätte verzichten können.