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Marc Lippuner

Posted on 27.1.2019

Meine früheste Erinnerung an AIDS hat mit Rock Hudson zu tun. Da war er schon lange tot, aber meine Oma besaß aus dem Westen geschmuggelte Boulevardmagazine und in einem fand sich ein Bericht darüber, dass die Stars aus dem Denver-Clan nun alle Angst hätten, sich angesteckt zu haben, allen voran Linda Evans, die Kuss-Szenen mit dem ersten weltberühmten AIDS-Toten gedreht hatte. Diese Sorge, die heute überzogen anmutet, zeigt exemplarisch, mit welcher Verunsicherung man in den 1980er Jahren dem HI-Virus gegenüberstand, nicht nur in Amerika, sondern auch in der Bundesrepublik. Kein Wunder, wusste man doch zu lange zu wenig darüber und debattierte mindestens ebenso lang über einen adäquaten Umgang damit. Der Journalist Martin Reichert hat die Berichterstattung der letzten 35 Jahre ausgewertet, Gesundheitskampagnen analysiert und zahlreiche Zeitzeug_innen und Betroffene interviewt, um aufzuzeigen, wie tiefgreifend HIV und AIDS nicht nur das Sexualverhalten, sondern auch den Lebensstil der heutigen Gesellschaft verändert hat. Hierbei fokussiert Reichelt sich auf homosexuelle Männer als größte betroffene Gruppe, während bspw. Frauen, Bluter_innen oder Drogenkonsumierende, die sich angesteckt haben, lediglich erwähnt werden, aber leider nicht zu Wort kommen. Nichtsdestotrotz liefert das Buch einen kompakten Überblick darüber, wie AIDS seinen Weg in das Bewusstsein der Menschen in der Bundesrepublik fand; es macht aber auch deutlich, wie überraschend schnell die Krankheit – aufgrund des medizinischen Fortschritts – aus dem Bewusstsein der nachfolgenden Generation schon wieder zu verschwinden droht.

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