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momentbitte

Posted on 2.1.2019

Arbeiterkind zweiter Generation Daniela Dröscher lehnt ihren autobiografischen Roman bewusst an die Vorbilder von Annie Ernaux ("Die Jahre") und Didier Eribon ("Rückkehr nach Reims") an. Insofern kann "Zeige deine Klasse" als erster deutschsprachiger Versuch einer reflexiven und theoriegeleiteten Erzählung über die eigene Herkunft und Bildung in der Folge der französischsprachigen Vorbilder verstanden werden. Extrem sympathisch ist, wie Daniela Dröscher vor allem ihre Eltern porträtiert. Sie folgt dabei ihrer jugendlichen Entwicklung und ihrem jeweiligen Wissenshorizont, mit dem sie sich von ihren Eltern abzugrenzen oder einzufühlen versucht. Im Vergleich zu ihren Vorbildern Ernaux oder Eribon schildert Dröscher aus einer anderen Generation. Sie könnte die Tochter der beiden Autor/innen sein, ihr eigener Bildungsaufstieg liegt bereits im Bildungsaufstieg ihrer Eltern begründet. Dementsprechend stark liegt der Fokus daher auf dem Leben von Dröschers Eltern. Symptomatisch erscheint mir der Zitierfleiß, den Dröscher beweist. Zu Beginn der Lektüre empfand ich ihn abschreckend, die Auswahl der Zitate eklektisch. Mit dem vertieften Eintauchen in Dröschers Welt aber ergibt ihre „postmoderne“ Erzählweise Sinn. Selbst Arbeiterkind, kann ich den mit den Zitaten nachgezeichneten Bildungsverlauf nachempfinden. Er zeugt von einer sich selbst überfordernden Belesenheit. Ernaux und vor allem Eribon sind auch deshalb so populär geworden, weil ihre Bücher politische Zeitdiagnosen ermöglichen. Dröscher reflektiert ihre eigene politische Haltung und dabei vor allem auch ihre Passivität. Im letzten Kapitel versucht sie sich an einem politischen Ausblick, der aber sehr bemüht wirkt und den Roman nicht weiter aufzuwerten vermag. Das letzte Kapitel kann bei der Lektüre getrost ausgelassen werden. „Zeige deine Klasse“ ist auch ohne sein Nachwort ein Gewinn für die deutschsprachige Gegenwartsliteratur.

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