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Posted on 3.8.2025

*Eindrucksvoller Generationenroman* Mit ihrem Debüt „Wenn du es heimlich machen willst, musst du die Schafe töten“ legt Anna Maschik einen äußerst eindrucksvollen und herausfordernden Roman vor, der die über ein ganzes Jahrhundert reichende Geschichte einer Familie erzählt, deren Wurzeln tief in der bäuerlichen Welt Norddeutschlands verankert sind. Die Handlung spannt sich vom entbehrungsreichen Alltag Henrikes auf einem norddeutschen Bauernhof um 1900 über die Nachkriegszeit, bis in die Gegenwart zur Urenkelin Alma. Fasziniert von der Fremdheit dieser bäuerlichen Welt und der Magie, die den Erinnerungen innewohnt, versucht sie in den Überlieferungen und lückenhaften Geschichten die Spuren ihrer eigenen Herkunft zu finden und setzt so ihre Familiengeschichte Stück für Stück zusammen. Dabei entführt sie uns mit auf eine stimmungsvolle und zugleich verstörende Entdeckungsreise durch die Generationen ihrer Familie. Anstelle einer konventionellen, chronologisch erzählten Familiengeschichte mit einer fortlaufenden Handlung setzt Maschik auf eine stark fragmentierte Erzählweise. Verschiedene nicht-lineare Episoden und collagenartig arrangierte Momentaufnahmen aus Erinnerungsfragmenten, pointierten Beobachtungen von Alltagsszenen und existenziellen Erfahrungen sowie kurzen Aufzählungen verdichten sich allmählich zu einem faszinierenden Geflecht mehrerer Generationen. Geschickt lässt sie in ihrer eindringlich erzählten, mysthisch angehauchten Familiengeschichte Vergangenheit und Gegenwart ineinanderfließen und verwebt Alltägliches mit beinahe magischen Momenten. Die zahlreichen Leerstellen fordern uns dazu heraus, eigenständig Verbindungen zwischen den einzelnen Fragmenten zu ziehen und dabei neben dem Offensichtlichen auch dem Schweigen und Ungesagten besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Die Autorin verdeutlicht dabei gekonnt, dass sich unser Verständnis von Familiengeschichte und Herkunft nicht als einfache, durchgehende Erzählung begreifen lässt, sondern vielmehr als vielschichtiges, oft widersprüchliches Geflecht, das sich immer aus persönlich eingefärbten, fragmentarischen Erinnerungsstücken zusammensetzt. Nach und nach offenbaren sich eindrucksvoll die verborgenen Geheimnisse und komplexen inneren Strukturen der Familie. Zudem zeigt sie auf, wie die Erlebnisse aus der Vergangenheit Spuren in einer Familie hinterlassen und bis in die Gegenwart weiterwirken. Einfühlsam thematisiert sie zugleich den Einfluss von Erinnerungen, Ritualen, Verlusten, Traumata und Prägungen auf die Lebenswege der einzelnen Familienmitglieder. Besonders faszinierend sind Maschiks eigenwilliger, nüchterner und dennoch poetischer Schreibstil sowie ihre beeindruckenden Sprachbilder, die auch in der beklemmenden Trostlosigkeit immer wieder bemerkenswerte Akzente setzen. Maschik zeichnet das Innenleben und die Konflikte ihrer facettenreichen weiblichen Hauptfiguren sehr eindringlich. So zeigt sie ihre Unsicherheiten, Ängste und Zweifel ebenso wie auch ihren tiefen Wunsch nach Selbstbestimmung und Wandel. Gleichzeitig bleibt aber eine gewisse Distanz zu ihnen, die sie leider schwer greifbar macht. Ihre Schicksale sind von Brüchen geprägt und doch werden sie immer wieder unweigerlich von der sich wiederholenden Familiengeschichte eingeholt. Maschik zeigt in ihrem vielschichtigen Roman eindrucksvoll, wie die Schatten der Vergangenheit die Gegenwart formen! Am Ende bleibt das Bild eines fragilen Netzwerkes aus Stimmen, Schweigen und Erinnerungen, das uns mit tief empfundener Nähe und Fremdheit zugleich zurücklässt. Dieser faszinierende Roman lädt ein, die eigene Herkunft nicht als eindimensionale Erzählung, sondern als vielschichtiges Mysterium zu begreifen, dessen Rätsel nie ganz aufzulösen sind. FAZIT Maschiks literarisches Debüt ist ein atmosphärisch dichtes, formal herausforderndes Familienepos, das zum Nachdenken anregt und lange nachwirkt!

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