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Posted on 3.8.2025

Ein Cabrio stürzt von der Klippe. Die Presse spricht von einem tragischen Unfall. Aber die Erzählerin weiß: Das war kein Unfall. Und so beginnt mit einem schwarzen Loch aus Erinnerung, Trauer und Wut ein literarischer Roadtrip zurück in die eigene Jugend – an den Ort, wo alles begann. Und wo alles endete. Kat Eryn Rubik hat mit Furye einen Roman geschrieben, der wie ein Cocktail aus Sonnenbrand, Salz auf offener Wunde und bittersüßer Nostalgie schmeckt. Unfiltriert, poetisch, zornig und absolut fesselnd. Mir hat er gut gefallen in diesem Sommer. Die namenlose Ich-Erzählerin ist das, was man gemeinhin als Erfolg bezeichnet: Musikmanagerin, Vogue-Coverfrau, tough und souverän. Innen drin? Leer. Abgestorben. “Ich hatte mein Leben vertan. Mich in mir selbst vertan.” (S. 287) — Dieser eine Satz, ein stilles Erdbeben, das sich durch den ganzen Roman zieht. Als ein Anruf sie zurück in ihre Heimatstadt ruft, ist das nicht einfach nur eine Reise, sondern eine Konfrontation mit ihrem früheren Ich. Dem Sommer der Furien. Alec. Meg. Tess. Drei Mädchen, ein Rudel, ein Schwur. Eine jugendliche Explosion – they owned the world. Kat Eryn Rubik erzählt in zwei kunstvoll verschränkten Zeitebenen – Vergangenheit und Gegenwart, Furien und Frau – und spielt dabei virtuos mit Sprache und Atmosphäre. Die jugendliche Leichtigkeit flimmert heiß und gefährlich über den Seiten, während die Jetztzeit rau, reflektiert und voller schmerzhafter Klarheit ist. Und ja, es tut weh. Denn Furye kratzt an allem, was glänzt: Leistungsdruck, toxische Weiblichkeitsbilder, psychische Gesundheit, gesellschaftliche Herkunft, Freundschaft und Verlust. Aber die Autorin kratzt nicht nur – sie reißt auf. Und gerade darin liegt die Kraft des Romans. Es ist keine feel-good-Lektüre. Es ist ein Roman, der dich anschreit, der dich wachküsst und dir gleichzeitig eine schallende Ohrfeige und eine zärtliche Umarmung verpasst. Die weiblichen Figuren? Widersprüchlich, vielschichtig, radikal echt. Keine Heiligen, keine Heldinnen. Aber Furien eben – im besten Sinne: wild, loyal, wütend, unvergesslich. Die literarische Wucht wird ergänzt durch visuelle Details (Tablettenblister und Sonnensegel als Reminiszenz ans Cover), liebevoll durchdachte Symbolik und sprachliche Sätze, bei denen man den Textmarker am liebsten heiraten möchte. Fazit: Furye ist ein feministisches Feuerwerk mit emotionalem Tiefgang. Ein Roman, der dich durchschüttelt und nicht loslässt. Für alle, die keine Angst vor ehrlichen Geschichten haben. Für alle, die wissen wollen, wie es sich anfühlt, wenn man sich in sich selbst verliert – und vielleicht ein kleines Stück wiederfindet.

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