
renee
Drei Frauen, drei Generationen, die Verbindung/die Summe ihres Erlebens Drei Frauen einer Familie. Drei Generationen. Großmutter, Mutter und Tochter. Eine Dreifaltigkeit. Die Erscheinungsformen der Frau, die schon viele in der Kunst bewegt haben. Ich denke da an Gustav Klimt und viele andere Künstler. Paola Lopez gibt dieser Dreifaltigkeit ein besonderes Erscheinungsbild in ihrem Buch. Denn was zeigt diese Dreifaltigkeit?! Lyudmila, die Großmutter, flieht als junge Frau vor dem Krieg aus Polen und geht in den Libanon, Daria, Lyudmilas Tochter, geht aus dem Libanon nach Deutschland, flieht ebenso vor einem Krieg und als Dritte im Bunde, Lucy, Darias Tochter, verschwindet aus dem Elternhaus in München nach Berlin, sucht dort nach ihrem Platz in der Welt und geht schließlich nach Polen, um ihrer Großmutter nachzuspüren. Drei Frauen, drei Generationen einer Familie. Drei Frauen, die Gemeinsamkeiten haben. Sie sind eckig, sie sind besonders, sie sind stark, sie gehen ihren Weg. Nur eine Stärke haben sie nicht. Sie alle sind Wissenschaftlerinnen, haben Ziele, verfolgen diese. Nur über die Kraft der Worte verfügen sie nicht. Sie reden. Ja. Über vieles. Sie agieren. Sind in der Aktion. Nur ihre Verbindung existiert weniger. Dafür gibt es Ungesagtes, Verletzungen, Traumata. Abgründe tun sich auf. Abgründe, die überwunden gehören. Doch schafft man immer diese Abgründe zu überwinden?! Hier kann man als Lesende urteilen, kann sich wundern, ja. Aber man kann auch versuchen sich in die Protagonisten hineinzuversetzen. Wie würde man selbst an ihrer Stelle agieren? Nun ja, man könnte hier schnell in die Verlegenheit kommen zu sagen, dass hätte ich anders gemacht. Ich verstehe dieses Tun nicht. Doch hätte man dies wirklich tun können. Mit den geschilderten Traumata. Das bezweifele ich sehr. Eher empfinde ich es als ein Wunder, dass Lyudmila die Kraft hatte weiterzumachen. Viele andere hätten Lyudmilas Weg nicht gehen können. Und klar, dieser Weg hat natürlich Folgen. Wie schaut es mit der Bindungsfähigkeit in Lyudmila aus? Was gibt sie daher an Daria weiter. Und was macht Daria wieder aus ihrem Erleben. Wie schaut es mit ihrer Bindungsfähigkeit aus? Was bekommt Lucy von Daria mit? Was bringt Lucy auf ihren Weg? Aus diesen Gedanken heraus empfinde ich das Buch „Die Summe unserer Teile“ als ein herausragendes Buch. Denn die Zeichnung der Charaktere in diesem Buch gelingt Paola Lopez geradezu grandios. Dabei wird nicht alles auserzählt. Ja, das könnte man bemängeln. Aber gerade diese Art der Zeichnung ihrer Hauptcharaktere überzeugt mich hier. Denn in diesem Buch ist das Gedankengut der Leserin immens wichtig. Was empfinde ich als Leserin zu den Figuren? Ja klar, manchmal schüttelt man den Kopf. Aber je mehr ich in dem Buch vorankam, desto mehr entzündete sich mein Herz für Lyudmila, Daria und Lucy. Ein wunderbares Buch! „Die Summe unserer Teile“ erinnerte mich stark an das Buch „Was Nina wusste“ von David Grossman. Auch hier sind es diese drei Generationen von Frauen, deren Erleben, deren Traumata, deren gestörte Mutter-Tochter-Beziehungen, die dieses Buch tragen. Auch hier sind es eher ambivalente Charaktere, die nicht unbedingt sofort das Herz anknipsen. Aber je mehr man von ihnen weiß, desto mehr liebt man sie. Auch für ihre Sperrigkeit. Denn man weiß ja um das Warum und das macht Lyudmila, Daria und Lucy und auch Vera, Nina und Gili einfach sympathisch. Lässt mein Herz aufleuchten, auch wegen dem Wissen um die eigenen Unzulänglichkeiten. Ein Highlight in diesem Lesejahr! Lesen! Unbedingt. Wer an Mutter-Tochter-Geschichten interessiert ist, sollte unbedingt zu „Die Summe unserer Teile“ von Paola Lopez, und auch zu „Was Nina wusste“ von David Grossman greifen. Lesehighlights! Und Lieblingsbücher! ❤