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nil

Posted on 3.8.2025

Ich liebe Sushi und daher hab ich mich immer weiter in die japnaische Küche verliebt. Auch Onigiri haben einen Platz in meinem Herzen. Diese kleinen Reisbällchen, liebevoll von Hand geformt, schlicht und doch voller Bedeutung. Als ich Yuko Kuhns Roman Onigiri entdeckt habe, war ich sofort neugierig: Was verbirgt sich hinter diesem stillen Titel? Die Antwort: sehr viel. Denn wie diese Reisbällchen steht auch der Roman für Fürsorge, Verbundenheit, unausgesprochene Liebe – für alles, was zwischen den Generationen weitergegeben wird, wenn Worte fehlen. Als Aki vom Tod ihrer Großmutter erfährt, trifft sie eine mutige Entscheidung: Sie reist mit ihrer demenzkranken Mutter Keiko ein letztes Mal nach Japan, zurück in das Haus der Familie. Und obwohl sie weiß, wie riskant das für Keiko ist, spürt sie, dass dort etwas schlummert – eine Erinnerung, ein Funke. Und tatsächlich: In der Heimat beginnt Keiko aufzublühen. Während sie in Deutschland zunehmend in der Vergessenheit verschwand, wird sie in Japan plötzlich wieder lebendig – spricht klar, lacht, erinnert sich. Für Aki ein schmerzhafter und zugleich wunderschöner Moment: Sie erkennt in ihrer Mutter zum ersten Mal die mutige, lebenshungrige Frau, die sie einmal war. Yuko Kuhn erzählt diese Geschichte leise, aber kraftvoll. Sehr japanisch. Ohne große Gesten, aber mit eindrücklicher Tiefe. Der Wechsel zwischen Vergangenheit und Gegenwart macht deutlich, wie sich das Verhältnis zwischen Mutter und Tochter im Laufe der Jahre verschoben hat – von Nähe, Abgrenzung, Erschöpfung bis hin zu einem späten, fast zärtlichen Verständnis. Was mir besonders gefallen hat: Onigiri verzichtet auf direkte Rede. Das ist ungewohnt, aber es macht den Text noch intimer – man ist ganz nah bei Aki, in ihren Gedanken, Zweifeln, Erinnerungen. Der Roman ist mehr als eine Mutter-Tochter-Geschichte. Er handelt von Identität, Heimat, Demenz – aber auch vom Verzeihen und der Hoffnung, dass es nie zu spät ist, sich wirklich zu begegnen. Er hat mir die Zerbrechlichkeit des Erinnerns bewusst gemacht – und die Kraft kleiner Gesten. Ein schmales, intensives Buch, das mir sehr nah gegangen ist. Für mich ganz klar: 5 von 5 Sternen.

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