
auserlesenes
Als sie gerade einmal zwölf Jahre alt ist, wird Bijoux nach Unruhen in Kinshasa nach London geschickt. Hier verliebt sie sich zum ersten Mal - und zwar in eine Frau. Das will sie vor ihrer streng religiösen Tante Mireille, die sich früher Mira nannte, verbergen. Doch auch ihre Tante trägt ein Geheimnis aus der Vergangenheit mit sich herum… „Wohin du auch gehst“ ist der Debütroman von Christina Fonthes. Die Struktur des Romans ist weder banal noch verwirrend: Es gibt vier Teile, die aus mehreren Kapiteln bestehen und mit einem Prolog eingeleitet werden. Dabei gibt es unterschiedliche Ebenen: Die Handlung spielt teilweise in London (Großbritannien), teilweise in Kinshasa (Kongo) und zwischendurch in Brüssel und Paris. Es gibt zeitliche Sprünge zwischen 1974 und 2007. Für Komplexität sorgt zudem, dass im Wechsel erzählt wird: aus personaler Perspektive aus der Sicht von Mira und in der Ich-Perspektive aus der Sicht von Bijoux. Dennoch fällt die Orientierung dank der Angaben zu Beginn der Kapitel leicht. Die Sprache ist leichtfüßig, schnörkellos, anschaulich und gleichzeitig literarisch. Der Text enthält immer wieder Wörter der afrikanischen Sprache Lingala, die größtenteils in einem abgedruckten Glossar erklärt werden. Die deutsche Übersetzung von Michaela Grabinger ist angenehm unauffällig. Die zwei Protagonistinnen sind interessant und sympathisch. Sie wirken lebensnah, weitestgehend frei von Stereotypen und verfügen über psychologische Tiefe. Vordergründig geht es um zwei Frauenschicksale. Bei der Lektüre entfalten sich dann mehrere Schwerpunkte: Es geht um Queerness, um Diskriminierung, um Emanzipation sowie um religiöse und traditionelle Erwartungen, die dem entgegenstehen. Darüber hinaus spielen Mutter-Tochter-Beziehungen, Lebenslügen und Familiengeheimnisse eine wichtige Rolle. Auch die Themen Herkunft und Migration sind von Bedeutung. Gut gefallen hat mir, dass Diversität in mehrfacher Hinsicht auf elegante Weise eingeflochten. Der Roman ist überraschend facettenreich und vielschichtig. Auf den rund 400 Seiten entwickelt die Geschichte schnell einen Sog. Die Handlung ist glaubwürdig und zugleich unterhaltsam. Das verlagstypische Cover, das ein Gemälde von Tamara Tashna Downes zeigt, ist durchaus passend, wenn auch nicht so aussagekräftig wie das der Originalausgabe. Der deutschsprachige Titel ist verkürzt, aber ansonsten wortgetreu („Where You Go, I Will Go“) übernommen. Mein Fazit: Mit ihrem vielversprechenden Debüt „Wohin du auch gehst“ macht Christina Fonthes Lust auf ihre künftigen Romane. Eine empfehlenswerte Lektüre!