
marcello
Sophie Stava ist für den deutschen Buchmarkt völlig neu, aber bei dem Klappentext ihres Erstlings „Eine falsche Lüge“ hatte ich gleich mehrere Assoziationen. Die stärkste war dabei wohl zu „Wer zuerst lügt“ von Ashley Elston. Das Wort ‚lügen‘ im Titel war sicherlich die erste anspringende Lampe, aber generell diese Frauen, die sich mit Lügen in ein anderes, neues Leben schleichen, da dachte ich sofort: Kenne ich doch! Ich hatte aber keinesfalls Sorge, dass es ein Abklatsch wird. Ich hatte eher die Hoffnung, weil mir „Wer zuerst lügt“ so gut gefallen hat, dass mich „Eine falsche Lüge“ ebenfalls überzeugen kann. Ich habe „Eine falsche Lüge“ zunächst selbst angefangen zu lesen, bin aber letztlich auf das Hörbuch umgestiegen, auch weil es mit Anne Düe, Elke Appelt und Oliver Kube gleich von drei Stimmen gelesen wird. Das reizt mich immer wieder, weil die verschiedenen Stimmen, vor allem in einem Krimi/Thriller einen Mehrwert leisten. Hier will ich inhaltlich gar nicht zu sehr vorweg greifen, aber es ist so wichtig, dass es mehrere Stimmen gibt, auch weil ich dann am Wechselpunkt wirklich eine andere Frauenstimme im Ohr habe, was mir sehr geholfen hat, in die nächste Lügenwelt einzutauchen. Während die Hörbuchversion also in jedem Fall als große Empfehlung zu sehen ist, ist es inhaltlich nochmal eine andere Herausforderung. Solche Bücher sind echt schwer, wenn man auf Sympathieträger hofft, um sich emotional an diese zu binden. Sloane ist eine notorische Lügnerin, das wird uns schnell klar. Sie berichtet auch, wie sich das alles entwickelt hat, welche Rückschläge sie deswegen schon einstecken musste, aber dass sie dennoch nie anders konnte. Auch wenn das wahrlich keine schöne Vorstellung ist und teilweise wirkt sie auch sehr besessen, aber dennoch ist es Stava gelungen, dass man Sloane nicht völlig verteufeln mag. Sie macht ihre Taten auch nicht aus egozentrischen Momenten, weil sie sich allen gegenüber immer sehr empathisch verhält. Sie lässt sich zwar auch mitreißen, aber sie wünscht sich eigentlich nur Harmonie für alle. Dementsprechend war Sloanes Art, alles zu sehen und zu beschreiben, schon spannend, genauso wie dann der Schritt, wie sie immer mehr in die Lockhart-Familie integriert wird. Dann folgt irgendwann ein harter Cut, den ich so nicht haben kommen sehen. Auch wenn der Klappentext es überdeutlich angedeutet hat, aber der Perspektivwechsel und dann auf einmal eine völlig andere Sichtweise auf alles zu haben, das war ein echtes Highlight. An dieser Stelle wird es nun sehr schwierig mit der Rezension, aber es war schon verrückt, dass eigentlich alle drei Figuren, Sloane, Violet und Jay, sehr, sehr komplexe Charaktere sind. Ich fand, dass das aber gut gegeneinander ausgespielt wurde. Es war ein Katz-Maus-Spiel mit einem Puppetmaster, während die anderen gar nicht wussten, was eigentlich passiert. Es war bis zum Ende reizvoll, sich zu überlegen, wie dieses Buch wohl ausgeht. Doch auch wenn ich das Ende an sich in der Konsequenz gelungen finde, so hadere ich doch moralisch an ihm. Ich lese keinesfalls Bücher, um mich immer in allem bestätigt zu sehen, dann dürfte ich Krimis fast nie lesen, denn in die Abgründe von Serientätern und Psychopathen zu blicken, das entspricht meinem eigenen Denken nun nicht gerade. Aber ich hinterfrage doch immer Gesamtbotschaften und da bin ich mit Stava nicht ganz einverstanden. Auch wenn ich die emotionalen Bürden alle verstehen kann, aber die Aktionen an sich sind drastisch und stehen in keinem Verhältnis zueinander. Was bleibt da als Botschaft? Das hat mich nachher doch noch länger beschäftigt. Ich will keinesfalls die Diskussion aufmachen, dass Leser Fiktion und Realität nicht auseinanderhalten können, aber ein bisschen Fragezeichen entsteht da doch. Aus einer anderen Perspektive funktioniert es wieder, aber die ist dann auch ironisch gemeint. Fazit: Sophie Stava hat mich mit „Eine falsche Lüge“ insgesamt gut unterhalten. Auch wenn man auf der charakterlichen Ebene eher in Abgründe blickt, so war ein starker Spannungseffekt da. Es gab auch Wendungen, die genau richtig saßen. Gerade beim Hörbuch war Mitfiebern sehr leicht. Am Ende finde ich die Botschaft des Geschehens aber etwas seltsam und das macht für mich die Abstriche aus.