Profilbild von Marius

Marius

Posted on 16.7.2025

Memoir, Beschreibung der bäuerlichen Lebenswelt und Kochbuch zugleich – Helen Rebanks gibt in ihrem Buch Die Frau des Farmers Einblick in ihr Leben als Bäuerin und Mutter. Und schafft damit gleich noch einen interessanten Gegenschuss zum vor knapp zehn Jahren erschienenen Bestseller ihres Mannes James Rebanks. Bäuerliches Leben, das ist keine pastorale Idylle. Mutterschaft schon gar nicht – das zeigt Helen Rebanks in ihrem Buch eindrücklich. Zusammen mit ihrem Mann James leben sie mit ihren vier Kindern auf einem abgelegenen Hof im nordenglischen Cumbria, wo ihr Mann Herdwickschafe züchtet. Von dieser Aufgabe und den wenig romantischen Seiten des Schafzüchterdaseins erzählte James Rebanks bereits in seinem Buch Mein Leben als Schäfer, das zum Bestseller avancierte. Eine Betrachtung über sein englisches Bauernleben und die Geschichte der von der Familie bewirtschafteten Farm folgte. Nun aber wirft Helen Rebanks ihren Blick auf den Alltag und ihrer Familie und beleuchtet damit die Aspekte des Lebens, die ihr Mann in seinen Werken eher aussparte. Die erzwungene Pause des ganzen Lebens infolge der Corona-Pandemie nutzte sie, um erste Gedanken und Skizzen über ihr Leben und Werden niederzuschreiben. Für mich war es das erste Mal, dass ich über die Welt um mich herum so richtig nachdenken konnte. Ich hörte auf, ständig irgendetwas hinterherzujagen und ausschließlich im „Tun“ zu sein. Stattdessen habe ich das Leben, das wir uns auf dem Hof aufgebaut haben, sehr bewusst wahrgenommen. Ich hatte Zeit, darüber nachzudenken, woher ich gekommen bin und warum ich getan habe, was ich getan habe. Zum ersten Mal seit langer Zeit habe ich mich auf mich selbst konzentriert und das Schreiben als Möglichkeit genutzt, meine Gedanken und Vorstellungen auszudrücken. Helen Rebanks – Die Frau des Farmers, S. 407 Vom Leben als Bäuerin, Köchin und Mutter Schon der Titel von Rebanks Buch zeigt sich die Definition ihrer Rolle über ihren Mann – was sich im Inneren fortführt, in dem Rebanks einen ehrlichen und ungeschönten Blick auf die Beziehung wirft, die die beiden eingegangen sind und die im Lauf der Zeit mal besser, mal schlechter funktioniert. Zurückblickend auf ihre eigene Kindheit erzählt Helen Rebanks von ihrer kindlichen Entdeckung der weiten Welt der Kulinarik – und vom Kennenlernen ihres Mannes, der so ein anderer Farmer ist als all die übrigen Bauern in ihrem Lebensumfeld. Gemeinsam beziehen die beiden eine Wohnung in Oxford und erproben das Leben als Partner. Es wird die erste Immobilie in einer ganzen Reihe an Wohnungen und Häusern sein, die sie immer näher an die Heimat der beiden in Cumbria heranführen wird. Mehrmals beziehen sie neue Zuhause, renovieren und ziehen doch wieder um, während die ersten beiden Kinder zur Welt kommen. Von den Schwierigkeiten der Beziehung in jener Zeit erzählt Rebanks ausführlich. Unterbrochen von immer wieder eingestreuten Rezepten (ein Kennzeichen des ganzen Buchs) erzählt sie von Überlastung, vom Kampf an mehreren Fronten mit Immobilienproblemen, finanziellen Engpässen und mehr als ungleich verteilter Sorgearbeit. Ihr täglicher Alltag, den der Buchuntertitel Mein Leben in einem Tag suggeriert, kommt wenig vor, stattdessen besteht das Buch überwiegend aus Rückblenden, die neben knappen biografischen Wegmarken vor allem die Schwierigkeiten des familiären Lebens ausführlich beleuchten. Dominierende innerfamiliäre Themen Während ihr Mann ausführlich von seinem Alltag als Schäfer und den Herausforderungen der Schafzucht erzählt, sind es bei Helen Rebanks die innerfamiliären Themen, die in Die Frau des Farmers dominieren. Als progressive Schrift hin zu einem neuen, gleichberechtigten familiären Miteinander von Mann und Frau dient Die Frau des Farmers nur bedingt. Der Mann als Ernährer der Familie und die Frau als Betreuerin der Kinder und als ständige Köchin am Herd – hin bis fast zur Selbstaufgabe, Rebanks Buch hat diesem Klischee wenig entgegenzusetzen. Die beiden leben ein althergebrachtes und zumeist funktionierendes Beziehungssystem, das in seiner traditionellen Lebensweise durchaus Klischees erfüllt. So wartet im Gegensatz zum auf den beruflichen Alltag zentrierten Buch ihres Mannes ihr Werk mit über fünfzig Rezepten auf. Diese reichen, die von Frühstücksideen für die Familie bis hin zur Rezepte der Schweinshaxenbrühe für 70 Bauern und zeigen Helen Rebanks als kreative wie auch traditionelle Versorgerin und Köchin in der Tradition ihrer Vorfahren. Überhaupt, die Tradition. Am Ende des Buchs finden sich dann ausführliche hauswirtschaftlichen Ratschläge in Form von Listen für die Vorratskammer oder das Gefrierfach, die auch jede Tradwife glücklich machen dürften. Als ungeschönten Blick auf die Herausforderungen, die Familie bedeutet, ist ihr Buch aber durchaus bemerkenswert. Bäuerliches Leben kommt wie der familiäre Alltag eher am Rande vor, dafür ist das Buch stark, was die Beschreibung der Selbstaufgabe und die partnerschaftlichen Kämpfe, anbelangt. Familie ist eben nie ein perfektes Bild von Gemeinschaft, sondern bedeutet auch Erschöpfung und Niederlagen. Auch romantisiert Helen Rebanks den Alltag dort in der Einsamkeit Cumbrias nicht. So spielt die Keulung von Tieren infolge einer Pandemie oder das Festsitzen auf dem autarken Hof inmitten von Schneemassen, die so gar nichts von Winteridylle als vielmehr von Überlebenskampf hat, in ihrem Buch auch eine große Rolle. Fazit Gesellschaftlichen Fortschritt findet man in Helen Rebanks Buch nur in Form des ungeschönten Blicks auf die Herausforderung, die Mutterschaft und ein traditionelles Familienbild bedeuten kann. Dennoch ist diese Form des Zusammen das die Autorin aber doch auch erfüllt, wie zumindest die kurzen Einsprengsel im Text hoffen lassen. Der Mann als Ernährer, die Frau als Köchin, die althergebrachte Ordnung bestätigt Die Frau des Farmers an vielen Stellen des Textes – wartet aber auch mit Rezeptideen und Illustrationen von Eleanor Crow auf. So ist dieses Buch eine Wundertüte, das mit unterschiedlichsten Themen von selbstkritischem Memoir, Helen Rebanks Blick auf den bäuerlichen Alltag und die ihr wichtigen Themen, Kulinarik bis hin zur Beschreibung bäuerlicher wie partnerschaftlicher Tradition aufwartet.

zurück nach oben