
thriller.eule
5 von 5 Sternen – Ein Roman wie eine salzige Meeresbrise für die Seele Selten hat mich ein Buch so unmittelbar gepackt wie „Die Hummerfrauen“. Schon das wunderschön gestaltete Cover mit seinem kräftigen Rot, der stilisierte Hummer – und als kleine Überraschung darunter: ein blauer Hummer auf dem Buchdeckel. Ich vermute doch mal stark, dass wir es hier mit Mr. Darcy zu tun haben – ein echter Hummer mit Persönlichkeit – der hat mein Leserherz sofort erobert. Neben dem Cover hat mich auch der Inhalt völlig überzeugt. Drei Frauen, drei Generationen, drei Schicksale – verwoben durch das raue Meer von Maine, eine starke Gemeinschaft und die leise, aber machtvolle Sprache des Lebens. Mina (28), Ann (72) und Julie (54) – sie alle haben Rückschläge erlebt, Verluste erlitten und dennoch ihren Weg gesucht. Auf Eagle Island begegnen sie einander und sich selbst – in einer Geschichte, die zwischen den Zeiten springt und dabei eine große emotionale Tiefe entfaltet. Beatrix Gerstberger gelingt es meisterhaft, ihre Protagonistinnen so lebendig, vielschichtig und kantig darzustellen, dass ich sie sofort ins Herz geschlossen habe. Besonders Julie mit ihrer schnoddrigen, burschikosen Art – nicht immer angenehm, aber ehrlich, kraftvoll, unverstellt. Und Ann, die alte Hummerfischerin, mit so viel Weisheit und stiller Traurigkeit, dass ich oft schlucken musste. Mina schließlich ist die Suchende, die ihren Anker verloren hat – und auf der Insel ein neues Zuhause findet. Alle drei zeigen auf ihre Weise: Das Leben ist kein glatter Kurs, sondern ein Auf und Ab mit vielen Gezeiten – aber auch mit überraschender Schönheit. Sprachlich ist das Buch ein Genuss. Gerstberger schreibt leichtfüßig und doch tiefgründig, humorvoll und mit einer guten Prise Ironie. Manche Sätze haben sich mir regelrecht eingebrannt. Oft musste ich innehalten, nachdenken, lächeln – und manchmal auch weinen. Besonders gelungen fand ich den Wechsel zwischen den Zeitebenen (1982 und 2000/2001), der nie verwirrte, sondern der Geschichte zusätzliche Spannung und emotionale Dichte verlieh. Ein großes Plus ist auch das Setting: Die Beschreibungen des Fischerlebens, der Hummerfallen, des salzigen Windes und des Zusammenlebens auf einer kleinen Insel sind so atmosphärisch, dass ich das Meeresrauschen beinahe hören und den Fischgeruch riechen konnte. Ich fühlte mich wie eine Beobachterin mitten in Stone Harbor – beim Dorfklatsch, beim Hummerfang, bei traurigen Abschieden und leisen Neubeginnen. Am Ende fiel mir der Abschied von den Hummerfrauen schwer. Es ist eines dieser Bücher, das noch lange nachklingt – mit Wehmut, Hoffnung, Humor und einer großen Portion Herz. Ja, nicht alle Fragen wurden beantwortet, aber das ist genau richtig so. Denn das Leben beantwortet eben auch nicht alles. Es fließt, wie das Meer – und wir dürfen lernen, darin zu schwimmen. Ein leiser, starker Roman über Frauen, die lieben, leiden, lachen und wieder aufstehen. Ein Buch voller Lebensklugheit, salziger Luft, starker Freundschaft und leiser Selbstfindung – mit Tiefgang, Herz und ganz viel Hummer. Für mich: Ein Herzensbuch und absolutes Lesehighlight!