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Buchdoktor

Posted on 15.7.2025

Mika ist fast 13 und lebt 1880 in einem Stockholmer Waisenhaus. Amelia, die Leiterin des Hauses, sieht nicht ein, dass ein Kind, das sich selbst das Lesen beigebracht hat, seine Zeit in der Schule verschwendet. So arbeitet Mika die Hälfte der Woche in der Kneipe „Kapelle“ als Dienstmädchen und die restliche Zeit im Waisenhaus. Die Einwohner der Stadt arbeiten in der Tabakfabrik, der Seifenfabrik, in Gerbereien und im Hafen, was man ihnen ansieht und auch riecht. Mika ist sich bewusst, dass sie aufgrund ihrer bescheidenen Kleidung jederzeit als Waisenhaus-Kind erkannt wird. Da in diesem Winter die Zoll-Brücken zugeschneit sind und die Stadt von Nachschub abgeschnitten ist, wird im Waisenhaus bereits die Milch für die Kinder verdünnt und das Brennholz zum Heizen kann nur wenige Tage reichen. Als in einer Nacht, in der „Schneeflocken groß wie Eichenblätter“ fallen, ein Neugeborenes im Waisenhaus abgeliefert wird, grübelt Mika mal wieder darüber, welche Kinder von Adoptiveltern aufgenommen werden, über Gerüchte vom berüchtigten Serienmörder, dem „Nachtraben“, und über Kinder, die in der Gruppe der „Ratten“ auf der Straße leben. Als der Polizist Valdemar Hoff Mika „unter vier Augen“ zu sprechen begehrt, erklärt er seinen Wunsch mit ihrer exzellenten Personenbeschreibung des Jungen, der das Baby ablieferte. Mika selbst findet ihre außergewöhnliche Beobachtungsgabe für ein Waisenkind überlebenswichtig, wäre sie unaufmerksam, würde sie nicht lange leben, teilt sie Valdemar mit. Nach dem Motto „Vier Augen sehen mehr als zwei“ entpuppt sich Mika als Hoffs unentbehrliche Assistentin im Fall eines unbekannten Toten. Mika selbst war bisher nicht bewusst, wie gut sie unter Gleichaltrigen in der Stadt vernetzt ist. Ihre Recherche konfrontiert Hoff und Mika mit üblen Arbeitsbedingungen der einfachen Menschen, mit der Ausbeutung von Waisen als Arbeitskräften, aber auch mit Mikas eigener ungeklärter Herkunft. Bei aller Empathie für die Figuren in ihrer Epoche verdient im Text jedoch die Logik mehr Aufmerksamkeit. Ein Kind in Mikas Situation, das sich selbst Lesen beibrachte, kann nicht unbedingt selbst schreiben und verschiedene Handschriften unterscheiden. Die schlichte Aussage, dass Mika erkennen kann, dass Einträge voneinander abweichen, wäre hier glaubwürdiger. Fazit Mit Gleichmut, erstaunlichem Selbstbewusstsein („Ich brauche ein Pferd und eine Kutsche“) und einem Ermittlertalent, das sie selbst überrascht, ist Mika eine liebenswerte Heldin, mit der ich mich als Kind gern identifiziert hätte. Dass der spannende Serienauftakt jungen Leser:innen Gelegenheit bietet, um zwischen Gesagtem und Gemeintem zu differenzieren, macht ihn m. A. nach zu einem idealen Vorlesebuch. Serieninfo: Band 1 von bisher 5 in Schweden veröffentlichten, Band 2 ist angekündigt

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