
Ladybug
Wunderschöne Melancholie In einer Winternacht im Jahr 1900 wird ein Kind am Strand vom schottischen Skerry gefunden. Der Fischer Joseph trägt ihn zum Pfarrer, dessen Frau jedoch hochschwanger ist. Und so kommt der kleine Junge, der nicht spricht, zu der Dorflehrerin Dorothy, die vor so vielen Jahren ihren Sohn an das Meer verloren hat. Nicht nur sie staunt über die Ähnlichkeit der beiden Kinder und nicht nur sie fragt sich, was von den alten Sagen und Mythen wohl wahr ist. Und während der Pfarrer versucht, die Herkunft des Kindes zu klären, kommen bei so einigen Dorfbewohnern Dinge an die Oberfläche, die verborgen bleiben sollten. Dieses Hörbuch wurde von Astrid Kohrs mit so viel Gefühl eingesprochen, dass man fast meinen könnte, sie erzählt ihre eigene Geschichte. Sie übertreibt an keiner Stelle, legt aber immer perfekt das passende Gefühl in ihre Stimme. Die Figuren sind klar umrissen und gezeichnet. Man kann sie sofort bestens unterscheiden. Die komplette Zeit spürt man nahezu körperlich, dass es in Skerry nicht nur ein Geheimnis gibt. Bei William hatte ich sehr früh eine Ahnung und die wurde dann auch bestätigt. Hier brach mir dennoch fast das Herz, denn Dorothy und er hätten einfach nur miteinander sprechen müssen, um eins der Dramen vermeiden zu können. Die Darstellung der geduldeten Gewalt, die so einige Männer ihren Frauen gegenüber für von Gott gegeben anbringen, ist schockierend. Auch die Selbstherrlichkeit, die Männer für fehlerfrei darstellt. Der Boden ist unfruchtbar, nicht die Saat? Wow! Welch Arroganz! Der kleine Junge ist in vielerlei Hinsicht etwas ganz Besonderes. Natürlich schon deshalb, weil er all die Dinge im Dorf ins Rollen bringt und durch ihn das eine oder andere doch anders wird und einige Frauen geradezu aufwachen. Auch weil er auf seine Weise versucht, mit den Geschehnissen klarzukommen. Ein verletzter Vogel ist ihm so wichtig, wie er für Dorothy. Er kann sich nicht verständlich machen. Der Vogel verbindet ihn aber mit Joseph und Dorothy. So viele besondere Momente hat mir diese Geschichte geschenkt! Sie lässt mich nachdenklich werden, sensibler für das was unter anderen Dächern passiert, hat mich darin bestärkt, lieber dreimal nachzufragen, als mir etwas zusammenzureimen. Die Geschichte spielt im Winter 1900 und das vergisst man sehr schnell, denn ganz viele Aspekte dabei haben sich bis heute nicht verändert. Frauen haben mehr Rechte, lassen sich weniger gefallen, sind selbstbewusster, doch haben sich die Menschen insgesamt nur wenig geändert, wie mir scheint. Ich bin unsagbar beeindruckt von diesem Hörbuch, von der Story, von Julia R. Kellys feinfühliger Erzählung. Ganz klar ein Highlight! Fünf Sterne!