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marcello

Posted on 15.7.2025

Sommer ist eigentlich nicht unbedingt meine Krimizeit, aber nachdem ich schon zahlreiche Reihen in Skandinavien gelesen habe, ist mir bewusst geworden, dass Finnland noch nicht dabei war, weswegen Kaisu Tuokko mich mit „Gerächt sein sollst du“ sofort gereizt hat. Ich hatte die Hörbuchversion und habe erstmal ausgiebig recherchiert, ob es eine gekürzte Version ist, weil die Laufzeit echt gering im Vergleich zu anderen Büchern ist. Aber ich habe dazu keinen Hinweis gefunden und die Buchversion hat auch nicht übertrieben viele Seiten, also geht es wohl auf. Dennoch würde ich unterm Strich sagen, dass sich das gesamte Buch etwas abgekürzt anfühlt. Das würde mich nicht stören, wenn es zäh gewesen wäre und ich lieber schnell fertig geworden wäre. Ich wollte aber nicht schnell fertig werden, denn inhaltlich fand ich das Buch auf jeden Fall reizvoll. Aber es fühlte sich nur wie kleine Einblicke in etwas an, was mit mehreren Büchern noch weiter ausgebaut werden soll. Für die kurze Laufzeit ziehe ich aber den Hut, dass man mehrere Hörbuchsprecher gefunden hat. Mit János Jung, Lina Syren, Henrike Tönnes und Jana Kozewa haben wir direkt vier Stimmen. Wir haben zwei für die zentralen Rollen Eevie und Mats und zwei für kleinere Rollen. Aber das hat das Buch für mich klar strukturiert. Inhaltlich musste ich bei dem Geschehen an die Reihe von Viveca Sten denken. Nora ist dort zwar keine Journalistin, aber sie wird ebenfalls wiederholt in die Ermittlungen von Kommissar Thomas hineingezogen. Dementsprechend hat mich das Ganze doch sehr daran erinnert, wenn ich auch gestehen muss, dass mich die Konstellation bei Sten auch oft in den Wahnsinn getrieben hat. In diesem Sinne gefällt mir die Konstruktion hier besser. Denn Eevi wurde nicht als Hobby-Ermittlerin gezeigt. Nein, sie ist leidenschaftlich in ihrem Job und sie hat aufgrund ihrer Berufung auch den Vorteil, bei manchen auf mehr Verständnis als die Polizei zu treffen. Dementsprechend hat sie auch viele Informationen gewonnen, einfach weil sie zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort ist und weil sie dazu empathisch ist. Aber sie hat dann jeweils auch zwischen Zeugen und Polizei vermittelt. Umgekehrt finde ich aber etwas, dass die Polizei selbst nicht so gut wegkam. Sie sind aktiv in der Ermittlung, aber gleichzeitig wirkte es immer so, dass es Eevi für die Bewegung brauchte. Dazu war Mats‘ Partnerin auch teilweise sehr unprofessionell, weil sie in Bezug auf Mordopfer Jonas befangen war. Parallel lebt die Zusammenarbeit auch von der gemeinsamen Geschichte von Mats und Eevi. Man hat aber gemerkt, dass es sehr langsam angegangen wurde. Da hat mir das Tempo gefallen, denn beide sind offiziell in Beziehungen, dementsprechend wäre mir zu viel Gas geben da wohl sehr deplatziert vorgekommen. Aber dennoch hätte es für beide Figuren mehr Hintergrund geben können. Das ist nicht mal bezogen auf sie zusammen, sondern auch individuell, um ihren Rollen als Partner, innerhalb der Familie, im Job etc. besser zu verstehen. Das war insgesamt doch sehr knapp gehalten. Der Fall ist natürlich im Gegensatz zu anderen Krimis auch etwas knapper gehalten, dennoch würde ich unterm Strich nicht behaupten, dass mir etwas gefehlt hat. Manchmal ist weniger auch mehr. Ich hatte zwar so eine Ahnung, was möglicherweise passiert sein könnte, aber es war dennoch spannend, das alles entfaltet zu sehen. Ich musste aufgrund der inhaltlichen Hintergründe sehr an „Adolescence“, den Netflix-Hit, denken. Ich führe das an der Stelle nicht weiter aus, aber jeder der Serie und Buch kennt, wird es verstehen. Ich finde das Thema schon extrem spannend. Es ist entsetzlich, man will es eigentlich nicht wissen, aber man will dem auch auf den Grund gehen und es verstehen. Das Thema wird auch vielfältig verarbeitet, durch gleich zwei Seiten, was es noch interessanter gemacht hat. Fazit: „Gerächt sein sollst du“ ist ein guter Titel für diesen Auftakt von Kaisu Tuokko. Auch wenn das Buch insgesamt in einigen Belangen etwas kurz gehalten ist, aber gerade der Krimianteil an sich war sehr gut. Für die Zukunft brauche ich mehr Raum für Mats und Eevi und an sich bessere Ermittlungsarbeit. Es ist auf jeden Fall vielversprechend, diese konkret Konstellation weiter zu ergründen.

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