
marcello
Als von Laura Kneidl die „Darlington“-Reihe angekündigt wurde, war ich enthusiastisch und skeptisch gleichermaßen. Ich fand es toll, von ihr mal wieder eine neue Liebesreihe zu bekommen, gleichzeitig musste ich aber auch an Mounia Jayawanth und ihre Van Day-Reihe denken, die auch in einem Hotel spielte, was mir insgesamt leider nicht so zugesagt hat. Aber ich bin positiv geblieben, weil Kneidl zum einen pro Band ein anderes Paar nimmt und weil es auch ganz andere Möglichkeiten gibt, das Hotel inhaltlich einzubinden. Insgesamt muss ich sagen, dass der Auftakt zu Henry und Kate für mich einige Auf und Abs hatte. Grundsätzlich fand ich die Ausgangslage sehr interessant und das zunächst mal für beide Hauptfiguren separiert betrachtet. Henry als sehr junger Geschäftsführer des Hotels, der das schwere Erbe hat, dass gegen seinen Vater Klage wegen Vergewaltigung eingereicht wurde und nun den Ruf des Hotels retten muss. Umgekehrt haben wir mit Kate, der in jungen Jahren auf der Straße leben muss und kriminelle Aktivitäten durchziehen muss, um zu überleben. Die Gegensätze sind groß auf dem Papier, aber gleichzeitig doch auch sehr ähnlich, weil sie beide viel zu verlieren haben, aber für das kämpfen, wovon sie überzeugt sind. Ich mochte beide Charaktere auch, wenn ich auch sagen muss, dass sie mir in manchen Nuancen zu perfekt, zu gut waren. Henry positioniert sich großartig gegen seinen Vater, und das wiederholt, wie er auf die erste Begegnung mit Kate reagiert, Respekt, aber ich hätte mir da einfach ein paar mehr Ecken und Kanten gewünscht. Erst am Ende haben wir etwas mit ihm, mit dem ich persönlich nicht gerechnet hätte. Ich hatte einen Verdacht, der in eine etwas andere Richtung ging. Für die Geschichte passte es gut, aber es kam einfach sehr spät und ich hätte mir gerne vorher schon andere Seiten von Henry gewünscht. Bei Kate würde ich sagen, dass wir über das Buch verteilt zwei sehr gegenteilige Seiten von ihr erleben. Auf der Straße ist sie eine Überlebenskünstlerin, sie wirkt frech, sie wirkt redegewandt, um keine Ausrede verlegen. Deswegen fand ich die erste Begegnung auch irgendwie lustig, weil sie sich einfach etwas rausgenommen hat, was sehr mutig war. Im späteren Verlauf fand ich Kate dann aber sehr verwandelt. Sie wurde immer braver und irgendwie angepasster. Dabei hätte ich mir die anfängliche Kate lieber durchgängig gewünscht. Da beide Figuren so sehr harmonisch aufeinander angepasst wurden, kam das Drama fast nur von außen, aber nicht aus ihnen als Paar heraus. Es wirkte alles so leicht (was auch eine Botschaft ist, ja), aber vielleicht zu leicht. So war es manchmal schwer, den mit den beiden restlos mitzufiebern. Zudem fehlten mir manche Aspekte deutlich. Das wäre zum einen, dass wir Henry nie selbst mit Ethan erleben, nur mit Logan. Auch wenn die Geschichten beider Brüder schon initiiert werden (auch ihrer Partnerinnen), aber es gab für die Brüderdynamik sehr wenig. Ja, Kneidl will sich natürlich auch etwas aufsparen, aber man kann nicht alles aufsparen, man muss auch vorher schon was Futter anreichen. Letztlich finde ich das Ende auch etwas übereilt. Es wurde zwar ein passender Bogen gefunden, aber das eigentliche Thema, wie die Beziehung der beiden angesichts der Gesellschaft funktionieren soll, das ist dann einfach abgehakt. Henry und Kate werden nicht einfach verschwinden, das ist klar, aber ich hätte mir hier erste klare Ideen gewünscht, weil ich mir die Beziehung der beiden in genau dem Umfeld nicht als dauerhaft glücklich vorstellen kann, denn sich nur darauf zu verlassen, man habe sich ja gegenseitig, das ist dann zu wenig. So, jetzt ist erstmal alles raus, was ich etwas schade am Auftakt fand. Aber ich war keinesfalls nur unzufrieden. Ich fand, dass der Hotelalltag gut rübergebracht wurde. Wir haben Henry, der sich mit den ganzen äußeren Bedingungen beschäftigen muss, wir haben Kate kurzfristig als Dienstmädchen. Da war es schon gut integriert. Auch ansonsten fand ich viele Themen genau richtig. Zum einen die Obdachlosigkeit, die durchgängig beleuchtet wurde und so Aufmerksamkeit bekommen hat. Zum anderen eben Me Too, mit dem doppelten Standard in vielen Gesellschaftsschichten, der reißerische Blog, der mit ein wenig an Lady Whistledown erinnerte. Der Cliffhanger ist ebenfalls extrem geschickt, weil es eine heftige Sache zum Abschluss ist, die Lust auf mehr macht, die aber auch inhaltlich Ernsthaftigkeit andeutet. Fazit: Die Reihe funktioniert von der Idee her und es wird noch zwei weitere Bände geben, die das endgültig beweisen können. Henry und Kate haben für „The Darlington“ aber keine restlose Begeisterung bei mir auslösen können. Es fehlten in vielen Aspekten Ecken und Kanten, weil es so etwas zu brav war. Aber Kneidl hat das drauf und sie hat sich jetzt in die Welt eingeschrieben, also einfach noch mehr, dann bin ich positiv-aufgeregt.