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Nikola Richter

Posted on 11.12.2018

Während die jungen adeligen und bürgerlichen Männer studieren gehen, Zeitschriften gründen, sich duellieren, ausreiten, politisieren, sitzen die jungen adeligen und bürgerlichen Damen in wenig beheizten Stuben, sind artig und leise und sticken. Nette, so der Spitzname von Annette von Droste-Hülshoff, will lieber raus, ins Freie - und so geht sie z.B. mit ihrer Spitzhacke los und klopft Steine und Mineralien. Sie ist stark kurzsichtig und nimmt alles, was ihr nahe ist, sehr genau war. Ihre Gedichte werden belächelt. Bis ein Protegé ihres Onkels, der auch poetische Ambitionen hat, ihr Talent entdeckt. Wie sich Nette in der Geisteswelt der adeligen und bürgerlichen Männer umtut, wie sie zurückgewiesen wird in ihre Schranken, auch in ihre Gefühle, während draußen nationalistische "altdeutsche" Traditionen aufleben, die Gebrüder Grimm Volksmärchen sammeln, Pogrome gegen Juden stattfinden, das hat Karen Duve fabelhaft auf über 500 Seiten erzählt. Vieles scheint wie ein Kommentar zu heute. Und dann ist da noch die unglaubliche Armut, der Hunger der Armen, durch Missernten in Europa: Nach einem Vulkanausbruch 1815 in Indonesien, dem stärksten in der überlieferten Geschichte der Menschheit, wird Asche und Schwefel in die Luft geschleudert. "Der Tag wird zur schwärzesten Nacht. Dann zieht die gigantische Wolke weiter Richtung Europa. In den Jahren 1816 und 1817 setzt sie die göttliche Ordnung des Wettergeschehens außer Kraft. Eisberge treiben bis vor die irische und schottische Küste. In Ungarn fällt brauner, gelber und roter Schnee. Deutschland versinkt im Dauerregen. Es gibt weder Frühling noch Sommer, der Morgen kommt, aber es will nicht Tag werden, das Korn verfault auf dem Halm, kein Herbst bringt Ernte noch Frucht. Die Preise für Getreide verdreifachen sich. Das Leben wird unerschwinglich. Die Bauern verzehren ihr Saatgut und füttern ihre Schweine mit Fischen."

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