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mabuerele

Posted on 23.6.2025

„...Das Justizsystem, das hatte sie gelernt, war im Grunde nicht darauf ausgerichtet, die Wahrheit zu ermitteln und herauszufinden, was tatsächlich passiert war. Es ging lediglich darum, was bewiesen werden konnte und was nicht...“ Und genau dieser letzte Punkt zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte. Wer einen spannenden Thriller erwartet, ist hier eher falsch, denn von Anfang an ist klar, dass der Beschuldigte nicht der Täter ist. Die Autorin hat einen abwechslungsreichen Roman geschrieben, in dem das britische Gerichtswesen im Mittelpunkt steht. Der Schriftstil ist eher locker und lässt sich flott lesen. In East London kommt es zu einer Auseinandersetzung zwischen Jugendlichen. Ein Mann wird niedergestochen. Emmett, ein schwarzer Jugendlicher, versucht ihn zu retten, wird aber als Täter verhaftet. Der Fall landet bei Rosa. Es ist der erste größere Fall für die noch junge freiberufliche Anwältin. Sie ist in meinen Augen diejenige, die im Mittelpunkt des Romans steht. Ich erfahre eine Menge über das britische Gerichtssystem. Dazu gehört auch, dass Rosa mehr schlecht als recht von ihrem Gehalt leben kann. Doch sie ist nicht nur für sich, sondern auch für ihre Großmutter verantwortlich, die sich um ihren jüngeren Bruder kümmert. Rosa glaubt an die Unschuld ihres Mandanten. Allerdings weiß sie um den latenten Rassismus, der auch vor der Justiz nicht Halt macht. „...Es überraschte sie wenig, dass die Hautfarbe des Angeklagten sofort Thema bei dieser Tat war. In fast allen Fällen mit schwarzen Mandanten wurde die ethische Zugehörigkeit in irgendeiner Form erwähnt...“ Für Emmett sieht es schlecht aus. Zwei Zeugen beschuldigen ihn der Tat. Er aber schweigt. Er ist ebenfalls nicht bereit, die Namen derjenigen zu nennen, die bei ihm waren. Die Verhältnisse im Untersuchungsgefängnis sind für den Beschuldigten zermürbend. Rosa gräbt tiefer. Dabei wird schnell klar, dass sie sehr vorsichtig sein muss. Die Regel des Gerichts lassen ihr nicht viel Spielraum, um eigene Ermittlungen anzustellen. Hier läuft manches anders, als ich es aus deutschen Gerichtsfällen kenne. Gut gefallen haben mit die Protagonisten, die ausreichend charakterisiert werden und gekonnt in ihrem sozialen Umfeld agieren. Am Ende bleibt keine Frage offen. Rosa hat gezeigt, was sie kann, auch wen sie zwischendurch von Selbstzweifel geplagt war. Gerade bei den Gerichtsszenen wird deutlich, dass die Autorin weiß, wovon sie schreibt. Das Buch hat mir sehr gut gefallen.

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