
marcello
2025 steht bei mir ganz im Zeichen von Autoren, die mir schon öfters namentlich begegnet sind und die ich dann endlich auch mal für mich entdecke (oder eben nicht). Bei Antonio Wesseling war es nun durch „Loverboy“ soweit und ich hatte im Vorfeld schon einiges gehört, dass es wohl in Richtung Romantic Suspense geht und irgendwie auch doch nicht, weswegen ich das unbedingt selbst einmal ergründen wollte. Ich habe „Loverboy“ als Hörbuch gehabt und bin durch direkt vier Stimmen durch die Geschichte geleitet worden. Mir ist das tatsächlich doch echt wichtig, wenn ich so viele Perspektiven habe, dass ich auch mehrere Stimmen höre. Das macht es natürlich teurer, das ist klar, aber es ist für mich ein echtes Plus. In der Hauptsache sind Leonie Landa (für mich schon eine alte Häsin) und Flemming Stein zu hören. Sie haben für mich Lola und Elias sehr gut verkörpert, weil beide mit ihren Stimmen durch die emotionale und teilweise auch belastende Handlung sehr gut geleitet haben. Dagmar Bittner als Vivian und Sven Macht in sehr kleiner Sprechrolle will ich nicht vergessen, aber sie sind für die Bewertung eher rudimentär, aber ich bin trotzdem froh, sie auch gehört zu haben. Tatsächlich fängt die Geschichte erstmal relativ harmlos an und das ist in diesem Sinne gemeint, dass es jegliches Genre sein könnte. Wir lernen will über Vivian und ihre neue Liebe Pascal. Wir lernen noch mehr über Lola, die Vivians Mitbewohnerin ist, und sie sich zunehmend Sorgen um sie macht, bis die Freundin/Mitbewohnerin dann verschwunden ist, was alles wesentlich komplexer macht. Als dann auch Elias‘ Perspektive hinzukommt, entsteht immer mehr Profil. Mir hat zunächst vor allem gefallen, dass die Figuren sehr gut ausgearbeitet sind, wobei ich da vor allem Lola und Elias meine. Sie wird sehr gut in ihr soziales Umfeld eingebunden, man versteht schnell, dass sie eine Kümmerin ist, die sich selbst gegenüber anderen zurückstellt. Lola war mir wirklich sehr sympathisch und sie ist auch ein guter Leitstern für eine solche Geschichte, auch weil sie aufgibt. Elias wiederum ist eine extrem ambivalente Figur und das hat mir sehr gut gefallen. Auch wenn ich ihn nicht auf Anhieb total einnehmend und spannend fand, weil man sein Gepäck mit Geheimnissen merkt, so ist er aber im Verhältnis zur gesamten Geschichte sehr geschickt gestaltet. Da die Geschichte sich irgendwann mit dem realen Phänomen der Loverboy-Methode beschäftigt, wird alles gesellschaftlich sehr relevant. Wir bekommen durch Lola und Elias auch eine Liebesgeschichte, aber ich fand die Grundidee für das Gelingen des Buchs wichtiger. So haben wir dann auch zwei wichtige Männerrollen. Neben Elias eben den Loverboy. Und beide würde in einer Welt von Menschen, die gerne nach schwarz und weiß sortieren, eher das Dunkle repräsentieren. Dann wiederum ist Elias aber so gar nicht wie der wichtigste Loverboy der Geschichte und das fand ich als Statement gut. Inhaltlich war es aber auch geschickt, weil so auch Zweifel gegenüber Elias entstehen. Ist er der, den wir durch seine Perspektive erleben oder werden wir selbst Opfer eines perfiden Loverboys? Erzählerisch war „Loverboy“ für mich sehr, sehr gut, auch weil es so viele Ebenen gab. Wir haben die Suche nach Vivian, wir haben die vielen Infos, um sensibler gegenüber der Loverboy-Methode zu werden, wir haben noch einen weiteren Vermisstenfall, der ebenfalls noch eine ganz eigene Bandbreite an Bewandtnis hat. Wir haben echt viel und dann noch die Liebesgeschichte. Das alles greift gut ineinander. Es ist so insgesamt vielschichtig und sehr spannend. Man kann durch die Seiten fliegen. Ich würde es aber letztlich doch nicht als total überzeugtes Fünf-Sterne-Buch einschätzen. Auch wenn es fast unfair ist, so reich wie „Loverboy“ an Inhalt ist, aber ich habe mir tatsächlich doch mehr Raum für Vivian gewünscht. Wir haben ihre Kapitel durch ihre Einträge. Teilweise konnte ich die nicht richtig einschätzen und war eher mit der Einordnung als mit charakterlichen Erklärungen beschäftigt. Dabei hätte ich gerne viel mehr über Vivian erfahren. Wir brauchten Lola, aber um die ganze Loverboy-Methode zu verstehen, ist Vivian fast noch entscheidender und da hat einfach ein Stückchen gefehlt. Auch weil wir sie nur wenig aktiv mit Lola und Elias agieren sehen, dabei ist ihre Art, für sie einzustehen, sich dafür in Lebensgefahr zu begeben, schon ein Zeichen von Liebe und die will man gerne mehr verstehen. Zumindest ich. Fazit: Antonia Wesseling hat mich mit „Loverboy“ sofort fasziniert, sodass ich sie von jetzt an mehr auf dem Schirm haben werde. Ich fand es toll, was die Grundidee mit der Loverboy-Methode war und wie sie drum herum eine sehr reichhaltige Geschichte gesponnen hat, die mit extrem viel überzeugt. Es war sehr spannend, aber ich hätte mir am Ende etwas mehr Vivian gewünscht. Aber das ist eine doch bescheidene Kritik, denn empfehlen würde ich es alleine für einen recht einzigartigen Charakter sofort.