
Buchdoktor
Bucky Bronco hat in Chicago 50 Jahre lang in Gelegenheitsjobs ohne Krankenversicherung gearbeitet. Mit 70 Jahren sind nun nicht allein seine Hüftgelenke so abgenutzt, dass er nur auf den Moment hin lebt, in dem die Wirkung seiner Schmerztablette einsetzt. Eine Operation kann er sich nicht leisten, trotzdem steht er auf der Warteliste für Hüftgelenk-Ersatz. Als Earlon, vor ewigen Zeiten bekannt als Bucky, im britischen Scarborough ein Engagement als Sänger auf einem Wochenend-Festival im „Northern Soul“ angeboten wird, weckt das Erinnerungen an seine kurze Gesangskarriere als 17-Jähriger. Bucky war noch nie im Ausland, hat Chicago vermutlich nie verlassen und ahnt nicht, dass seine Musik in der Heimat der roten Telefonzellen noch immer Fans hat. Seine hoffnungsvolle Karriere endete damals mit dem Tod seines Bruders und Buckys eigener längerer Untersuchungshaft. Zu einer anstrengenden Flugreise ist er längst nicht mehr in der Lage, so dass das Projekt in dem Augenblick gescheitert zu sein scheint, als Bucky realisiert, dass er seine Schmerztabletten im Flugzeug vergessen hat. Ein Mann wie er kann offenbar nicht den direkten Weg gehen und seine Betreuerin Dinah um einen Arztbesuch bitten. So überlebt Bucky die Zeit bis zu seinem Auftritt, geschwächt von Jetlag und Kulturschock, nur mit Alkohol und geschnorrten Pillen, deren Wirkung er nicht kennt. Dinah jedenfalls, die alltags als Kassiererin arbeitet und sich an ihrem incel-ähnlichen Sohn aufreibt, wirkt höchst entzückt von der Begegnung mit Bucky – zu ihr kommt mit ihm das Leben nach Scarborough, wenn sie schon nirgendwo hinkommt. Weitere ungewöhnliche Begegnungen für Bucky ergeben sich mit dem afghanischen Zimmermädchen Shabana und der anstrengend effektiven deutschen Journalistin, die zum Interview angereist ist. Er lässt sich von Dinah überzeugen, dass ein Bad im kalten Meer gesund ist, durchlebt die Trauer um seine kürzlich verstorbene Frau erneut – und erfährt schließlich von treuen Fans Entscheidendes, das ihm bisher entgangen war. Fazit „Strandgut“ erzählt voller Ironie und brutal direkt von der unkonventionellen Freundschaft zwischen selten exzentrischen Einzelgängern, jeder auf seine Art in prekären Lebensverhältnissen vereinsamt. Da mich Bucky als Figur schwer erreichen konnte und sein US-amerikanisch-Sein blass blieb, bedingt empfohlen für Myers-Fans.