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violettera

Posted on 9.6.2025

Literarische Entdeckung Martina Clavadetschers vielschichtiger Roman besticht durch präzise geschilderte Schreckensbilder, sehr anschaulich und voll sprachlicher Schönheit. Es sind wirre Fäden, die sich vor den Lesern entspinnen, und lange bleibt unklar, ob sie sich ganz entwirren werden oder ob ein Rest vom Geheimnis bleibt, so wie die alten Sagen über die geschichtsträchtige Gegend und grausame Schicksale, die nie ganz in Vergessenheit geraten sind. In Ödwil am Ödwilersee, am Fuße des Frakmont, in der Innerschweiz also, spielt die Handlung, und die innere Ödnis der äußerlich wunderschönen Gegend zeigt sich schon im Namen, wie überhaupt viel Zwiespältiges zu Tage tritt. Nichts und niemand ist in diesem Roman ganz das, was er, sie oder es zu sein scheint. Selbst die Leiche im zugefrorenen See kann eigentlich gar nicht so knapp unter der Oberfläche liegen. Der Roman selbst entzieht sich der eindeutigen Zuordnung: ein Krimi, ein Thriller, ein gesellschaftliches Lehrstück, ein Beziehungsroman? Es geht unter anderem um viel Geld aus trüben Quellen, um alten und neuen braunen Filz, das Agieren eines angeblich karitativen Geheimbundes und die unheimlichen Aktivitäten einer sterbenskranken, zähen Greisin als Strippenzieherin. Die Akteure könnten unterschiedlicher nicht sein, und doch hängt alles mit allem zusammen, wie die kluge wirre Alte aus dem Wohnwagen ihrem Helfer und Begleiter, einem eigenbrötlerischen Archivar mit Panikattacken, immer wieder vermittelt. So werden auch die Schrecken der anderen leicht zu den eigenen Schrecken, es gibt ein Ende mit Schrecken und ebenso Schrecken ohne Ende. Aufklärung tut not. Für mich ist dieser Roman eine literarische Entdeckung. Ich habe ihn zweimal gelesen, mit Gewinn.

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