
pmelittam
Louise Otto verliert ihre Eltern als Siebzehnjährige, dennoch gelingt es ihr, einen Vormund zu vermeiden und selbst über ihr Leben und ihr Vermögen verfügen zu können. Sie wird Schriftstellerin, veröffentlicht Bücher und in Zeitungen, unter anderem auch bei Robert Blum. Sie denkt fortschrittlich und setzt sich auch für Frauenrechte ein. Susanne Grabasch kommt aus prekären Verhältnissen, muss schon als Kind Gewalt von Männern erdulden und schuftet schließlich in einer Textilfabrik. Ihr erstes Zusammentreffen mit Louise Otto endet letztlich nicht gut für sie, sie landet auf der Straße. Tanja Kinkel war für mich schon immer eine Garantin für interessante und gut recherchierte Romane, und so habe ich auch hier bedenkenlos zugegriffen. Erzählt wird ein Stück deutscher Geschichte, nämlich die Geschehnisse rund um die Revolution 1848/1849. Im Fokus stehen bei ihr allerdings Frauen, reale und fiktive, deren Leben davon beeinflusst wurde, die aber auch aktiv gehandelt haben. Man trifft im Laufe der Handlung auf einige historische Persönlichkeiten, sowohl weibliche als auch männliche. Auch Louise Otto hat wirklich gelebt, Susanne allerdings ist stellvertretend für alle weiblichen Arbeiterinnen anzusehen, deren Leben noch schwieriger war als das der männlichen Arbeiter. Im Groben kannte ich die damaligen Ereignisse, dieser Roman hat sie mir umfassender nahegebracht. Ich finde vor allem den Fokus auf die Sicht der Frauen wichtig und gut gelungen, die leider von den Revolutionären kaum mitgedacht wurden, wurde dort von allen Menschen und Gleichheit gesprochen, meinte man in der Regel die Männer. Daran konnten auch Frauenrechtlerinnen wie Louise Otto leider wenig ändern, auch wenn sie bei einigen der Abgeordneten Gehör fanden. Für mich ist der Roman neben einer anschaulichen Geschichtsstunde auch sehr spannend gewesen. Ich habe mitgefühlt mit den Protagonist:innen, aus deren Sicht erzählt wird. Darunter ist übrigens auch ein Mann, Lukas Brandstetter ist Soldat der preußischen Armee, und wird immer wieder in Brandherde geschickt, dabei lernt er auch Susanne kennen, so dass sich ihrer beider Schicksale verknüpfen. Manches stand natürlich von Anfang an fest, da es tatsächlich passiert ist, doch so tief war mein Wissen vorher nicht, dass es für mich nicht doch einige Überraschungen gegeben hätte. Und auch das Leben der oben genannten Frauen, vor allem das Susannes, bietet einige Möglichkeiten, zum Daumen drücken. Erzählt wird eingängig, bildhaft und atmosphärisch, ich fühlte mich immer mittendrin. Die Charaktere sind sehr gut gezeichnet, auch sie hat man regelrecht bildlich vor Augen. Tanja Kinkel ist es wieder gelungen, die damalige Zeit und ihre Akteur:innen lebendig werden zu lassen. Ein Personenverzeichnis und vor allem ein Nachwort der Autorin hätten den Roman noch zusätzlich aufgewertet, leider wurde darauf verzichtet. Tanja Kinkel hat es wieder geschafft mich Neues zu lehren, mich zu unterhalten und mich interessiert lesen zu lassen. Das Thema finde ich wichtig, die Protagonist:innen gut gezeichnet, die Erzählung spannend, sehr gerne empfehle ich diesen interessanten Roman weiter.