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marcello

Posted on 2.6.2025

Die „Dunbridge Academy“-Reihe galt als beendet, aber viel Insistieren, viel Leidenschaft hat Sarah Sprinz überredet, noch einen vierten Band rund um Gideon und Grace nachzulegen. Ich muss gestehen, dass die Reihe, die für viele der Durchbruch mit der Autorin war, durchaus meine Schwierigkeiten hatte, aber auch ich wollte jetzt natürlich wissen, wie es für diese beiden Charaktere weitergeht, vor allem, nachdem Grace im ersten Band eine so entscheidende Rolle hatte, die man ihr so keinesfalls gegönnt hat. Gibt es Gerechtigkeit für diese Figur? Ich muss gestehen, dass „Anymore“ für mich ein fleißiges Abwechseln von richtig starken Stellen und verzweifeltem Haareraufen war. Fangen wir mit einem positiven Aspekt an. Ich kann mich noch gut erinnern, dass ich gerade am Anfang der Reihe oft dachte, dass man bei Sprinz nicht wirklich den Unterschied zwischen YA und NA bemerkt, weil ob nun High School oder College, die Rollen wirkten sehr ähnlich in ihrer emotionalen Reife und das wirkte manchmal etwas unnatürlich. Das kann ich für diesen vierten Band überhaupt nicht mehr kritisieren. Ich fand den Schreibstil an vielen Stellen sehr passend. Die Sprache war etwas einfacher gehalten, die Sätze wirkten oft wie Gedankenfetzen, ich fand es gut, auch wenn ich es eher seltener noch lese, aber es passte für mich ideal, gerade wenn man an die Jugendlichen von heute denkt. Aber man merkt es nicht nur am Schreibstil, sondern extrem an der emotionalen Reife und da muss ich dann wieder sagen, bin ich einfach zu alt? Ich war echt oft sehr verzweifelt, weil da einfach ein paar Schritte bei Grace und Gideon fehlten, vor allem bei ihm. Auf eine Art mochte ich ihn, auf eine andere hat er mich sehr genervt. Wie unbeholfen er sich teilweise ausgedrückt hat und wie viel er damit angerichtet hat, aber auch seine Gefühle, so extrem von Emotionen gesteuert, da hätte ich mir manchmal etwas mehr Hirn gewünscht. Gideon ist Grace treu ergeben, das ist irgendwie süß, aber manchmal fand ich die Gedanken auch sehr besitzergreifend. Ich kann zwar nicht behaupten, dass er ihr dadurch die Selbstständigkeit abgesprochen hätte, aber dieser bewusste Unterschied zu Henry, dass er erkannt hat, was das Besondere an Grace ist, das war durchaus auch anstrengend. Zudem war es furchtbar, wie selten er einfach mal die Wahrheit gesprochen hat. Er ist mehr ein Mann der Gesten und da gab es viele süße Ideen und er hat schon deutlich auch immer gesehen und bemerkt, was mit Grace los ist. Aber durch seinen Mangel an Wortgewandtheit, durch seine Feigheit mit Ehrlichkeit, hat er auch immer wieder dazu beigetragen, dass es Grace nicht besser gehen konnte. Das hat das Buch natürlich aufgebauscht, es hat den Inhalt aber überdurchschnittlich depressiv gemacht. Dass wir am Anfang in einem tiefen Tal starten, das ist verständlich. Wir haben durch die anderen Bände schon mitbekommen können, wie es Grace gehen muss und das mit ihr vor allem ein Thema angesprochen werden wird. Aber es ist schon oft fast unerträglich, all diese Gedanken zu lesen, die sie hat. Sie passen zu ihr, aber sie tat mir auch extrem leid, ich wollte so viel besseres für sie. „Anymore“ hat insgesamt einfach etwas Leichtigkeit zwischendurch gefehlt. Eine Liebesgeschichte lebt für mich auch von diesen Momenten, in denen sich das Pärchen unbesiegbar fühlt. Einfach loslässt. Und das fehlte hier. Es war so traurig und immer wenn ich dachte, yes, jetzt haben wir einen Moment für Grace, da hat Gideon wieder was echt Dummes getan bzw. gesagt. Dementsprechend folgte auf jede Minispitze schon wieder eine extreme Delle. Es war schon komisch, dass ich am Ende froh war, das Buch beendet zu haben, einfach um diese Stimmung abstreifen zu können, weil es belastet hat. Gleichzeitig will ich aber echt nicht verheimlichen, dass es einzelne Szene gab, die ich sehr gefeiert habe, die für mich die Reihe rund gemacht hat. Zudem mit dem Abschluss am Ende, einen konkreten Blick in die Zukunft aller zu haben, das war sehr nostalgisch. Es war tatsächlich nochmal ein Band, wonach ich dachte, das ist echt der bessere Abschluss. Was ich auch sehr feiere, das waren die Gespräche von Grace und Henry. Ich fand es so wichtig und es ist uns gegeben worden. Wir haben auch Gideon und Henry, was ich sehr gut fand. Da sind dann so einzelne Szenen, in denen man das Schreibtalent von Sprinz sehr gut erkennen kann. Fazit: „Anymore“ aus der Dunbridge-Reihe war auf eine Art noch so wichtig, aber auf eine andere Art war es auch eine sehr anstrengende Lektüre. Im Gesamten war die ganze Atmosphäre sehr traurig und depressiv, es gab viel Augenrollen, weil dann Dinge passierten, die es noch länger hinauszögerten. Aber es gab auch Highlight-Stellen. Ich bin inhaltlich um vieles froh, aber stilistisch hätte ich es mir etwas anders gewünscht.

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