
claudi-1963
"Wälder sind die Kathedralen der Natur, in denen wir die Größe Gottes erkennen können." (Hildegard v. Bingen) August 1975: In diesem Jahr findet wieder ein Sommercamp in den Adirondack Mountains statt. Mit dabei ist sogar Barbara, die 13-jährige Tochter der reichen Familie Van Laar, denen das gesamte Anwesen gehört. Als an einem Morgen Barbara nicht anwesend ist, beginnt eine panische Suche nach dem Mädchen. Denn 14 Jahre zuvor wurde schon einmal ein Junge vermisst, ausgerechnet Barbaras 8-jähriger Bruder Bear. Er nahm damals ebenfalls am Sommercamp teil und ist dann plötzlich spurlos verschwunden. Bis heute weiß niemand, was mit dem Jungen geschah. Kann das alles Zufall sein oder wissen die anderen Kinder etwas über Barbaras Verschwinden? Was hat der aus dem Gefängnis entflohene "Schlitzer" mit all dem zu tun und welches Geheimnis hütet die Familie selbst? Meine Meinung: In diesem erstaunlich literarischen Thriller geht es mitten in die Natur, bestehend aus Reservat, einem dunklen, gefährlichen Wald und dem großen See. Es ist jedoch kein eindeutiger Thriller, sondern das Ganze hat viel von einem Gesellschaftsroman. Wobei die Autorin die Spannung permanent hochhält. Es ist dabei keine actionreiche, blutige Spannung, sondern eher so, dass man von Seite zu Seite mehr ins Geschehen eintaucht und dadurch neugierig bleibt. Dabei hilft vor allem die ständige Abwechslung von Zeiten und Protagonisten. Das unentwegte Rätseln, was mit Barbara geschehen ist oder ob sie noch lebt, lässt mich nicht mehr los. Ich muss sagen, das hat die Autorin bravourös gehandhabt. Das naturbelassene Setting mit dem Sommercamp und dem unheimlichen Wald, das wohlhabenden Familien für einen Sommer lang als Überlebenstraining in der Natur dient, wird hier extrem gut dargestellt. Der damals in den 60er-Jahren verschwundene Bear musste von Barbara ersetzt werden, was im Grunde keine gute Voraussetzung war. Außerdem leidet ihre Mutter noch immer unter dem Verlust ihres Kindes und pumpt sich dementsprechend mit Medikamenten voll. Während Barbaras Vater auf mich eher gefühlskalt und abweisend wirkt. Was garantiert an seinem Vater lag, der wie ein Patriarch über allem steht. Überhaupt scheint es mit den Ehen der Van Laars nicht gerade zum Besten zu stehen. Geheimnisvoll wirkt zudem die Leiterin T. C. Hewitt. Sie löste vor fünf Jahren ihren Vater Vic ab, der dieses Camp davor geleitet hat. Ich habe das Gefühl, dieses Sommercamp hauptsächlich einem dient. Nämlich, dass einige der Eltern ungestört Party im riesigen Anwesen der Van Laars feiern können. Ungewiss ist, was der frisch entlassene Häftling "Schlitzer", der durch die Gegend streift, mit all dem zu tun hat. Es gibt es einige Verdächtige unter den Anwesenden, den Angestellten, aber auch die Van Laars scheinen einige Dinge nicht ansprechen zu wollen. Trotz fast 600 Seiten, die dieses Buch umfasst, wurde mir niemals langweilig. Im Gegenteil, die Autorin hat es geschafft, die Spannung fortlaufend zu steigern. Dabei sind Themen wie Alkoholismus, Tablettensucht, soziale Ungerechtigkeit und deren Auswirkungen gut dargestellt. Ferner wird in diesem Buch ohne den moralischen Zeigefinger besonnen diskutiert über Reiche, die ständig ihr eigenes Recht verschaffen, ohne an die Folgen für Unschuldige zu denken, ebenso wie über deren heftige Familienkonflikte. Von mir jedenfalls gibt es eine absolute Leseempfehlung und 5 Sterne.