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Berkels Lehrjahre Autobiografische Romane erfreuen sich seit Jahren ungebrochener Beliebtheit – längst haben sich einige Werke dieses Genres herauskristallisiert, die eine große Anhängerschaft gewinnen konnten. In dieser literarischen Tradition legt nun auch Christian Berkel mit „Sputnik“ einen weiteren autobiografisch gefärbten Roman vor, der sich deutlich stärker als seine Vorgänger „Der Apfelbaum“ und „Ada“ auf die eigene Person konzentriert. Statt primär die deutsche Geschichte oder die jüdische Herkunft seiner Mutter in den Mittelpunkt zu stellen, steht diesmal Berkels persönlicher Werdegang im Fokus – insbesondere sein Weg zum Schauspieler. Die Leser erfahren viel über Berkels Kindheit, seine Eltern und seine abwesende Schwester. Zentrale Station des Romans ist jedoch Berkels Zeit in Frankreich, wo er die Grundlagen seiner späteren Schauspielkunst erlernt. Dieser Abschnitt nimmt viel Raum ein und wirkt beinahe wie das Herzstück des Buches. Wie prominente Vorbilder vor ihm – man denkt unweigerlich an Joachim Meyerhoff – öffnet sich Berkel seinen Lesern und gewährt intime Einblicke in familiäre und persönliche Erfahrungen, ohne sich dabei selbstgefällig zu inszenieren. Trotz der Ich-Perspektive wahrt der Text eine gewisse Distanz, die es erlaubt, sich nicht nur mit Berkel, sondern auch mit den Menschen um ihn herum zu identifizieren. Themen wie der Zweite Weltkrieg, die jüdische Identität seiner Mutter und sein eigenes Aufwachsen als sogenannter „Halb-Jude“ durchziehen das Buch zwar, dominieren es jedoch nicht. Eine Ausnahme bildet das Ende des Romans: Eine intensive Familiendebatte über die NS-Vergangenheit nimmt sowohl thematisch als auch stilistisch eine Sonderstellung ein – die Szene ist wie ein Theaterstück aufgebaut und in ihrer Genauigkeit auffallend detailliert. Im restlichen Roman streift der Roman viele Stationen von Berkels Leben eher flüchtig – vom Kind bis zum jungen Erwachsenen galoppiert die Erzählung stellenweise im Eiltempo, was zwar auf der einen Seite eine gewisse Dynamik schafft, auf der anderen Seite aber zu Lasten der Tiefe geht. Im Vergleich zu mehrbändigen Lebensläufen, wie sie in diesem Genre nicht selten zu finden sind, fehlt es daher oftmals an narrativer Dichte. Trotzdem bleibt „Sputnik“ eine lesenswerte Lektüre, die auf engem Raum faszinierende Einblicke in ein Künstlerleben bietet. Leser von Berkels früheren Büchern werden auch diesmal nicht enttäuscht sein – auch wenn das Werk am Ende nicht mit Joachim Meyerhoffs gekonntem Wechsel zwischen Humor, Ernst und Selbstreflexion oder gar der literarischen Qualität von Karl Ove Knausgard mithalten kann.