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marcello

Posted on 26.5.2025

Neal Shusterman ist ohne Frage ein Begriff für jemanden, der sich in der Bücherwelt zuhause fühlt, aber ich habe dennoch noch nie etwas von ihm gelesen. Als ich dann aber das Cover von „Break to You“ gesehen habe, da wollte ich es unbedingt mal ausprobieren. Mit dem Klappentext im Kopf habe ich mir beispielsweise auch eine Geschichte wie „The Hate U Give“ erhofft. Und was ist es geworden? Shusterman hat „Break to You“ gemeinsam mit Michelle Knowlden und Debra Young verfasst. Mit einer oberflächlichen Recherche habe ich leider nicht herausfinden können, wie genau die Zusammenarbeit funktioniert hat, ob die Perspektiven untereinander aufgeteilt wurden, dann vielleicht noch die Gedichte von Adriana, aber ich könnte es mir zumindest gut so vorstellen, dass jeder genau seine Stärken einbringen konnte. Von der Handlung her würde ich jetzt nicht sagen, dass es so gesellschaftlich relevant wie „The Hate U Give“ ist, aber es ist in jedem Fall ein intensiver Einblick in eine Jugendhaftanstalt, auf die verschiedenen Menschen, die dort einsitzen oder für die das Sozialsystem keinen Platz hat (ist das wirklich möglich, wie entsetzlich das wäre!) und auf die Menschen, die dort arbeiten. Ich fand es erst etwas schwierig hereinzufinden, weil Adriana mit ihrem Einzug ins Gefängnis doch einen gewissen Widerstand in sich hat, sie ist rebellisch, damit die ganze Situation nicht so nah an sie herankommt, damit war da emotional erstmal eine Mauer. Zudem sind ihre Gedichte sprachlich herausfordernd, was eigentlich ein Kompliment sind, weil sich echt eine sprachlich kreative Seele in ihr verbirgt. Dementsprechend ist es aber schwierig, erstmal alle Bedeutungen zu erfassen. Das wird später einfacher, auch weil man Adriana besser kennenlernt. Die Perspektive von Jon stößt erst später dazu. Denn zuerst sind die beiden Perspektiven miteinigen Kapiteln streng voneinander geteilt, erst später wird das miteinander vermischt. So dauert es also erst etwas, bis wir Jon kennenlernen. Im Grunde lernen wir ihn zuerst durch seinen Eintrag in dem Notizbuch kennen. Danach schauen wir ihm aber selbst in den Kopf und ich muss sagen, dass ich ihn viel spannender als Adriana fand. Das ist schwer zu bergründen, aber manchmal ist es einfach Chemie. Jon hat schon ein viel längeres Leben im Gefängnis hinter sich und es war sehr spannend, durch seine Augen die Dynamiken der Jungs untereinander zu deuten. Dazu das Personal und seine verschiedenen Eigenschaften einzuschätzen. Teilweise hat sich das Personal ja auch für beide Geschlechter überschnitten und da war es interessant, wie Adriana und Jon sie jeweils wahrnehmen. Aber bei Jon hat man einfach gemerkt, wie lange er schon da ist, wie abgestumpft er auf der einen Seite ist, aber wie er auf der anderen Seite auch etwas bewahrt hat, um für ein mögliches Leben nach dem Gefängnis jederzeit bereit zu sein. Es hat mich mehr mitgerissen. Aber auch Adriana hat interessante Charaktere um sich, wie Monessa und Pip. Insgesamt finde ich auch, dass „Break to you“ nicht nur durch Einblicke in zwei Jugendliche überzeugt, sondern auch einen sehr überzeugenden Spannungsfaktor erzeugt. Es gibt immer wieder was Neues zu entdecken. Spätestens mit der Hoffnung auf ein Treffen fiebert man dann richtig mit, ob es wohl klappen wird, wer sind Verbündete, wer sind Verräter? Wer hat welche Motive? Am Ende kam richtig ein Sog auf und ich wollte unbedingt wissen, wie es ausgeht. Auch wenn die Liebesgeschichte auf eine Art sehr übereilt erzählt ist, aber zu oberflächlich fand ich sie nicht. Denn man hat schnell gemerkt, auf welche Ebene es Adriana und Jon geschafft haben. Sie haben sich wirklich über einen ähnlichen Geist gefunden. Es gab zwar auch kreative Entscheidungen, an denen ich etwas eingehakt habe, aber ich kann sie respektieren, eben weil das Buch von gleich dreien stammt und ich mir vorstellen kann, dass dadurch erst recht vieles ein bisschen bricht, aber dadurch auch etwas aussagt. Aber das eigentliche Treffen war überraschend kurz und wortkarg. Dazu war das Ende auch sehr, sehr offen. Ich hatte noch viele Fragezeichen, fand aber gleichzeitig, dass es zur Geschichte passt. Denn es ist der Ausschnitt eines Lebens und da gibt es nicht immer alle Antworten. Fazit: „Break to You“ brauchte vielleicht etwas Anlauf, aber hat sich dann immer mehr in mein Herz geschlichen. Es war charakterlich sehr interessant, es war aber auch ungeheuer spannend. Ich hätte mir vielleicht etwas mehr gesellschaftliche Einordnung angesichts der Thematik vorstellen können, aber es ist auf jeden Fall zu empfehlen, gerade auch für eine jugendliche Zielgruppe, aber es ist auch unterhaltsam darüber hinaus zu lesen.

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