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marcello

Posted on 22.5.2025

Liane Moriarty. Es gibt kaum eine Autorin, von der in den letzten Jahren so viele Serienadaptionen auf den Markt gekommen sind. „Big Little Lies“ hat alles gestartet. Von „Nine Perfect Strangers“ startet dieser Tage die zweite Staffel und dann gibt es auch noch „Apples Never Fall“, die ich selbst noch nicht gesehen habe. Auch wenn ich kein restloser Fan dieser Serien bin, aber es ist stets klar geworden, dass sich die australische Autorin viel mit Trauma und vor allem weiblicher Psychologie auseinandersetzt. Nun ist für deutsche Fans ganz frisch „Vorsehung“ erschienen und ich wollte einfach mal ergründen, wie mir ein Buch von ihr gefällt. Der Klappentext hatte auf jeden Fall etwas, auf einem willkürlichen Flug bekommen alle Passagiere das Ende ihres Lebens prophezeit. Könnte auch ein wenig wie „Final Destination“ sein, eine Horrorreihe, die mich in meiner Jugend begleitet hat. Aber ich bin echt kein Horrorfan, von daher gut, dass Moriarty in diesem Genre nicht schreibt, sondern sich diese Ausgangslage für das zunutze macht, was sie auszeichnet. Psychologischen Tiefgang auf Basis der Frage, ob das Leben Schicksal oder Zufall ist, wie viel ist vorherbestimmt, wie viel bestimmen wir ganz alleine? Ich war vor dem Lesen ein bisschen am Rätseln, wie sich das Buch wohl gestaltet, denn würde es hauptsächlich im Flugzeug spielen und wenn nicht, was kommt danach? Moriarty hat sich dafür entschieden, dass wir zunächst relativ stringent die Zeit im Flughafen haben, aber schon dort unterteilt sie das Erzählen für verschiedene beteiligte Menschen, darunter auch die im Klappentext angesprochene alte Lady, die wir irgendwann als Cherry kennenlernen. Sie ist die einzige Ich-Erzählerin, während die übrigen Perspektiven personale Erzählstimmen sind. An dieser Stelle ist sicherlich die Info hilfreich, dass ich „Vorsehung“ als Hörbuch hatte. Dadurch wurde ich durch das Geschehen von Heike Warmuth geleitet. Wie man sieht, nur eine Stimme. Gegen die Stimme selbst will ich auch gar nichts sagen, aber es hat das Hören tatsächlich etwas komplexer gemacht, weil ich, er und sie jeweils von einer Stimmfarbe begleitet wurde. Warmuth wurde für mich vor allem zu Cherry, weil durch das Ich da eine ganz andere Verbindung entstand. Beim Rest musste ich mich doch immer etwas sortieren. Auch wenn die jeweiligen Namen immer schnell genannt wurden, aber es war leider nicht so intuitiv wie bei anderen Hörbüchern mit vielen unterschiedlichen Perspektiven, die von verschiedenen Stimmen aufgefangen werden. Ich vermute an dieser Stelle mal stark, dass es beim Lesen ganz anders wirkt. Es wird sicherlich auch dort erstmal eine Herausforderung sein, alles auseinanderzuhalten, aber es wird bestimmt etwas zügiger gehen. Grundsätzlich ist die Wahl verschiedener Perspektiven aber sehr clever. Wir haben Figuren, denen selbst ein relativ naher Tod prophezeit wurde, wir haben Figuren, bei denen nahe Menschen etwas Entsetzliches zu hören bekommen haben und wir haben eben Cherry, die das alles auslöst und mit der wir auf ihr bewegtes Leben blicken. Somit ist vom Umfang an Erzählmöglichkeiten viel da. Gleichzeitig ist es aber auch eine Erzählweise, die Risiken birgt. Cherry lernen wir wirklich ausgiebig kennen. Ich fand es zwar anfangs irritierend, als sie manche Geschehnisse mit gefühlten Einzeilern kommentierte (Auch weil nicht so richtig zu verstehen war, wie die Einschübe zu verstehen sind), aber später wird durchgängig ihr Leben erzählt und da konnte man viel draus mitnehmen. Ihr habe mich ihr echt sehr nahe gefühlt. Die übrigen Rollen mussten sich deutlich weniger Erzählzeit teilen und da war es dann einfach so, dass manche Figuren wie Ethan mir sehr fern blieben, andere wie Allegra und Paula waren leichter zu verstehen, aber es waren dennoch sehr knappe Einblicke in ihre Leben. Dennoch war es am Ende sicherlich geschickt, dass wir die Frage nach Bestimmung und Zufall sehr unterschiedlich beantwortet bekommen. Da auch „Vorsehung“ sicherlich adaptiert wird, musste ich gleich denken, dass gerade die Verwicklungen am Ende sicherlich genial rüberkommen. Wie sich alles langsam auflöst, kleine Überraschungen und all sowas. Inhaltlich habe ich für mich aber nicht so viel mitnehmen können. Moriarty bietet keine definitiven Antworten, was ich auch okay finde, aber dadurch bleibt es uns auch allen offen, was wir selbst mitnehmen und da habe ich nichts Neues über mich selbst gelernt. Fazit: „Vorsehung“ als Hörbuch vs. Buch, da würde ich mich wohl nachträglich für Letzteres entscheiden. Ich bleibe dabei, Heike Warmuth war toll zum Lauschen, aber angesichts der Komplexität wären mehr Sprecher und Sprecherinnen sinnvoller gewesen. Inhaltlich war die Ausgangssituation spannend gestaltet. Auch das Ende fand ich geschickt und treffend. Dazwischen war es etwas wackliger, weil zu viele Perspektiven eher einen oberflächlichen Eindruck hinterlassen haben (bis auf Cherry). Ich habe Moriarty durch den Stil ihrer Serien auf jeden Fall wiedererkennen können, aber sowohl in bewegter Form als auch zwischen den Seiten stehend bleibt mein Eindruck zwiegespalten. Aber überdurchschnittlich kommt man dennoch auf die eigenen Kosten.

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