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Posted on 20.5.2025

Manchmal sind es die leisesten Romane, die am lautesten nachhallen. Die Garnett Girls ist genau so ein Buch: kein krachendes Drama, kein atemloser Plot – sondern ein fein gewobenes Familienporträt, das sich behutsam, aber mit Nachdruck ins Herz der Leser:innen schreibt. Der Sommer auf der Isle of Wight scheint golden, die salzige Luft flimmert über dem alten Cottage am Meer – und doch brodelt es unter der Oberfläche. Hier lebt Margo Garnett, einst wild und glamourös, heute charismatisch und unnahbar. Sie schweigt über die Vergangenheit, über Richard, den Mann, der ging. Doch ihr Schweigen ist laut – und es hallt nach in den Leben ihrer drei Töchter. Rachel, die Älteste, hält alles zusammen. Sie ist das Rückgrat der Familie, und gerade deshalb vergisst sie sich selbst. Imogen, die Mittlere, lebt zwischen den Zeilen ihres eigenen Theaterstücks, verlobt, aber zweifelnd, mit einem Mann, der zu gut scheint, um wahr zu sein. Und Sasha, die Jüngste, rebellisch, wild, in einer Ehe gefangen, die wie ein Käfig aus Samt ist. Jede von ihnen ringt um Freiheit – und trägt doch das Erbe ihrer Mutter wie ein unsichtbares Gewicht. Georgina Moore gelingt mit ihrem Debüt das Kunststück, vier Frauenstimmen nicht nur hörbar, sondern fühlbar zu machen. Ihre Figuren sind keine glatten Romanheldinnen, sondern lebendige, widersprüchliche Charaktere – mutig, verletzlich, wütend, liebevoll. Sie lieben sich, sie streiten, sie reden (viel) – und trotzdem bleibt so vieles ungesagt. Diese Dichte an inneren Konflikten, an generationsübergreifenden Prägungen und unausgesprochenen Wahrheiten macht das Buch so tiefgründig – ohne je schwer zu wirken. Besonders stark ist die Atmosphäre: Die Isle of Wight ist nicht nur Kulisse, sie ist ein eigener Charakter – mit ihren Kreideklippen, verwitterten Dielen, zerfallenden Cottages. Hier wird geschwiegen, gestritten, geliebt, getrunken – und sich langsam versöhnt mit dem, was war. Moores Sprache ist ruhig, sensibel, voller Beobachtungskraft – und in der Übersetzung von Christiane Burkhardt wunderbar nuanciert ins Deutsche übertragen. Kein Satz ist zu viel, kein Bild zu kitschig. Statt lauter Dramatik gibt es hier Tiefe – und das ganz ohne Pathos. 💬 Fazit: Die Garnett Girls ist ein mitreißender, kluger Roman über das, was Familie mit uns macht – und wie schwer es ist, sich davon zu lösen. Ein Buch für alle, die in den kleinen Momenten das Große suchen. Für Sommertage – und lange Nachmittage am Fenster, mit Blick auf die eigene Vergangenheit.

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