
gachmuret
Ist es überhaupt noch möglich, über Kaiserin Elisabeth von Österreich zu schreiben? Sie gehört zu den Menschen, deren Mythos derart übergroß geworden ist, dass ihr alles Menschliche fremd geworden zu sein scheint. Es hat in den letzten Jahrzehnten immer wieder Versuche gegeben, diesen Mythos zu dekonstruieren und die Frau, die doch ein Mensch war, wieder hervortreten zu lassen. Bisher aber hat sich Sissi noch immer gegen Sisi durchgesetzt. Karen Duve nähert sich in ihrem Roman der Figur auf ungewohnte Weise. Anstatt das Panorama ihres ganzen Lebens auszubreiten, beschränkt sie die Handlung auf eine kurze Zeitspanne in Elisabeths Leben und die handelnden Figuren auf dementsprechend wenige. Sie zeichnet eine Frau, die sich ihrer Privilegien nicht nur bewusst ist, sondern sie auch einzusetzen weiß. Und das keineswegs vorrangig altruistisch. Mir gefällt diese Figur sehr – nicht, weil ich sie überaus sympathisch fände und nicht einmal deshalb, weil sie sehr heftig an Mythos und Legende rüttelt, sondern weil sie einen Menschen in seiner Zeit und seinem Stand zeigt. Eine Frau, die durchaus Teil eines um sich selbst kreisenden Milieus ist und sich in diesem bewegt, Handlungsräume nutzt und Sympathien und Antipathien pflegt. Dass Karen Duve den Zeitrahmen eher kurz setzt, ermöglicht ihr, Schwerpunkt auf facettenreiche und tiefgehende Charakterporträts zu legen und ein Panoptikum zu schaffen, das nicht gerade von Identifikationsfiguren bevölkert ist. Dafür aber von Menschen, die zumindest ich sehr lebhaft vor Augen hatte.