
marcello
Bei Fantasy-Geschichten war zuletzt öfters mein Kritikpunkt, dass die Liebesgeschichte einen zu großen Raum einnimmt. Auch wenn ich die Symbiose aus fantastischem World-Building und mitreißender Liebesgeschichte durchaus zu schätzen weiß, aber es muss auch eine Balance geben. „Heartless Hunter“ von Kristen Ciccarelli widerlegt die Beobachtung und doch irgendwie auch nicht. „Heartless Hunter“ steigt gleich an einem spannenden Punkt ein. Wir lernen die Protagonistin Rune und die verschiedenen Welten, durch die sie wandelt, schnell und einnehmend kennen. Es ist spannend, welche Geschichte sie hinter sich hat, was für sie daraus für eine Aufgabe gewachsen ist und wie sie wie eine Schauspielerin die sehr kontrastreichen Versionen leben muss. Rune ist definitiv eine Figur, die einem sofort ans Herz wächst, weil sie ein tragisches Schicksal hat, weil sie dennoch eine Kämpferin ist und weil sie für etwas eintritt, was ihr sichtbar wichtig ist. Umgekehrt haben wir Gideon, der erst etwas später so richtig in die Geschichte eintritt. Es war schon spannend, wie die beiden sich erleben und wie gegensätzlich das zu dem ist, was ich von ihnen wahrnehme. Im Grunde finde ich auch, dass die beiden sich extrem ähnlich sind. Für Rune und Gideon gilt definitiv eher, dass gleich und gleich sich gerne zusammengesellt. Beide haben eine ungeheure Loyalität ihrer Familie gegenüber, beide haben ein Trauma, das sie antreibt und beide sind echt clevere Figuren. Da wären wir dann auch bei dem Punkt, wie viel Raum die Liebesgeschichte einnimmt. Ich hatte schon den Eindruck, dass es immer mehr wurde, auch um die späteren Konflikte und Ausrufezeichen zu erzeugen, aber ich hatte dennoch nicht den Eindruck, dass es eine überwiegend körperliche Anziehung ist, die alles beeinflusst. Stattdessen war es beeindruckend, wie gleichberechtigt alles gestaltet worden ist. Gideon und Rune wollen beide etwas voneinander, was wenig mit Liebe zu tun hat, aber weil sie sich von einer Verbindung beide etwas erhoffen, zeigen sie auch Versionen von sich, die immer echter werden, sodass Gideon und Rune eigentlich sich wirklich selbst kennenlernen und das war schön mitzuerleben. Auch weil es sich alles so gleich anfühlt. Rune ist nicht wichtiger als Gideon oder umgekehrt. Beide sind wichtig für die Handlung, beide müssen Siege und Niederlagen erfahren. Es war ein Katz-Maus-Spiel, was echt spannend war und einfach clever erzählt. Dementsprechend habe ich diesen Fokus als sehr, sehr gut empfunden. Und es zeigt wieder, dass es einfach auf die Art und Weise ankommt, wie man eine Liebesgeschichte in ein übernatürliches Setting packt. Wie ist es aber mit dem Fantasy-Anteil? Ich würde sagen, dass ich es keinesfalls kritisch gesehen habe, aber ich hatte doch schon ein paar Gedanken, ob ein gewisser Schwerpunkt auch eingespart wurde, um ihn für den finalen Band 2 zu haben. Das werde ich erst in der Zukunft bewerten können. Solange ist aber klar, dass es ein relativ simples World Building ist. Rune hat auch nicht wirklich eine Mentorin gehabt, weil ihre gewählte Großmutter zu früh gestorben ist, weswegen sie sich als Hexe einiges selbst beibringen musste. Damit ist ihre Magie nicht sonderlich ausgereift. Dementsprechend ist die Magie nicht übermäßig gegenwärtig im ersten Band. Wir werden aber in die verschiedenen Stufen von Zaubersprüchen eingeweiht und wir bekommen vor allem in Rückblenden erzählt, welches Potenzial Hexen schon entfaltet haben und warum es zur Revolution kam. Das finde ich in jedem Fall auch interessant, weil wir ein sehr ambivalentes Bild auf Hexen bekommen. Rune kämpft verbissen für ihre Spezies und mit ihr haben wir eine Hexe, die einfach ein gutes Herz hat. Genauso haben wir aber auch Geschichten von Hexen, die ihre Magie für Schreckliches genutzt haben. Das finde ich sehr realistisch, weil es egal bei welcher Fertigkeit immer die gibt, die es für Gutes anwenden und die, die nur an sich denken. Das macht es so spannend, weil ich so auch keinerlei Ahnung habe, was die Lösung für einen zweiten Band sein könnte. Der erste Band endet derweil auf vielen Ausrufezeichen. Das ist sehr gut gemacht worden, weil es genau so ein Cliffhanger ist, bei dem man dran bleiben will. Ich habe definitiv den Wunsch, dass es mehr Magie geben wird. Dass Rune ihre Wurzeln mehr kennenlernt und dadurch sich auch die Frage stellen muss, welche Art von Hexe sie sein möchte. Genauso bin ich gespannt, wie die Liebesgeschichte von diesem Punkt aus weitergeführt werden kann. Es wird nicht einfach werden, genauso deswegen habe ich aber auch die Hoffnung, dass es weiterhin gut gemacht wird. Fazit: „Heartless Hunter“ mit Band 1 hat mir echt sehr gut gefallen. Henriette Schreurs und Moritz Frinberg haben Rune und Gideon beeindruckend zum Leben erweckt. Ihre gemeinsame Geschichte, die Gleichberechtigung beider Figuren und wie sie sich trotz der Vorurteile einander gegenüber kennenlernen, das hat mich besonders eingenommen. Es wäre mehr Fantasy drin gewesen, aber wer weiß schon, was in Band 2 alles rausgehauen wird. Das Potenzial ist jedenfalls immens.