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Posted on 10.5.2025

Eine Jugend für die Freiheit Wie bei vielen chinesischen Romanen, die im Exil entstanden sind, steht auch bei Lai Wens „Himmlischer Frieden“ die politische und gesellschaftliche Kritik im Vordergrund. Doch anders als viele andere Werke beginnt dieser Roman vor allem mit leisen Tönen. Eindringlich beschreibt Lai ihre Kindheit in Peking, in der sie vor allem durch ihre Großmutter, eine Figur voller Eigensinn und Wärme, geprägt wird – ein emotionaler Anker des Romans. Bereits in diesen Kindheitsszenen schimmern jedoch erste Konfliktlinien durch. Beim Spiel mit den Nachbarskindern zeigt sich, wie Lai, obwohl sie eher zurückhaltend ist, durch äußere Impulse zu mutigem Verhalten angestachelt wird – eine Eigenschaft, die sie später in der Studentenzeit erneut begleiten wird. Früh gerät sie durch solche Begebenheiten in das Spannungsfeld zwischen individueller Freiheit und staatlicher Repression – ein Thema, das sich durch den gesamten Roman zieht. Lai, eine introvertierte, literaturbegeisterte junge Frau, schafft es trotz aller Widerstände an die Universität. Dort wird sie, vor allem durch die Wiederbegegnung mit einem Kindheitsfreund, zunehmend in die aufkeimende Studentenrevolution hineingezogen. Was sich hier wie ein klassischer Erzählverlauf anhört, gewinnt durch den autobiografischen Hintergrund der Autorin enorme Authentizität. Lai Wens eigene Erlebnisse und Erinnerungen verleihen der Geschichte eine Tiefe, die rein fiktive Werke oft nicht erreichen. Besonders hervorzuheben ist, dass der Roman sich nicht allein auf seine politische Brisanz verlässt. Lai Wen versteht es, mit einer feinfühligen und facettenreichen Sprache ihre Leser in das Alltagsleben der 70er- und 80er-Jahre hineinzuziehen. Familie, Freundschaft, Literatur und leise Romanzen bilden das Fundament, auf dem sich die politische Dimension des Romans aufbaut. Die Studentenrevolution – unbestritten das Herzstück des Romans – nimmt so erst im letzten Drittel wirklich Raum ein. Doch diese dramaturgische Entscheidung erweist sich als klug: Sie erlaubt es den Lesern, Lai als Mensch zu verstehen, bevor sie ihre Haltung in historischen Krisenzeiten beurteilen. So wirkt ihre Beteiligung an den Protesten nie aufgesetzt, sondern nachvollziehbar und bewegend. „Himmlischer Frieden“ erzählt mit leiser Stimme große Wahrheiten – und verfällt dabei weder in Pathos noch in ideologische Plattitüden. Ein erwähnenswerter Beitrag zur Exilliteratur und ein eindrückliches Zeugnis über den Wunsch nach Freiheit.

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