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Marius

Posted on 9.5.2025

Astrologie, das sind nicht nur Waage, Sterne oder Stier – meist geht im Fall der Anbieter der Sterndeutung auch ein Aszendent einher, der da Geschäftsinteresse und finanzieller Gewinn lautet. In ihrem Debüt Stars begleitet Katja Kullmann ihre Protagonistin beim Aufstieg ihres eigenen Sterns in das Astrogeschäft hin zu finanzieller Unabhängigkeit, der ihr der Job als „Astrophilosophin“ zunehmend beschert – bis sich sogar eine Kiste Dollarscheine vor ihrer Tür materialisiert. Blätterte ich als Kind in den Zeitschriften meiner Eltern, so war ein unvermeidliches Element der an eine weibliche Leserschaft gerichteten Periodika stets das Horoskop. Ein wöchentliches Horoskop fand sich dort an wiederkehrender Stelle, ergänzt vom großen Jahreshoroskop, erstellt von einer Astrologin mit dem schillernden Namen Mauretania Gregor. Auch die Bildzeitung zählte zu den Abnehmern der Vorhersagen der „Starastrologin“, wie sie die die Zeitung anpries. Dabei ist das Phänomen der Astrologin keineswegs eines vergangener Tage, auch wenn sich die Form der Astrologie etwas gewandelt haben mag. Erst im letzten Jahr zog der ORF Kritik auf sich, als er eine Astro-Show ins Programm des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks nehmen wollte, bei der man mithilfe einer Moderatorin und einer Astro-Influencerin in die Sterne schauen konnte. Diese qualifizierte laut eigener Aussage, schon im Bauch ihrer Mutter an „Vollmondritualen“ teilgenommen zu haben. Zwar ist die Show nach nur einer Folge aus dem Programm genommen worden, der Karriere der österreichischen Astro-Influencerin mit Vollmondritual-Erfahrung hat es nicht geschadet. Ihr folgen über 30.000 Follower auf Instagram, die willig mit dieser interagieren. Unter anderem geben sie dort Antwort auf Fragen wie die Folgende: Wo sind meine Stier Sisters? Stier Sonne, Mondin, Aszendent, Stellium im Stier oder 2. Haus? Welt der Sterne, Welt der Abzocke Seit den Tagen der gedruckten Horoskope und dem berüchtigten „Astro TV“, das verlässlich Memes und Gründe für die Vorwürfe von Abzock-TV lieferte, hat sich die Welt der Sterne und der Geschäfte darum weiter in die Sozialen Medien ausgelagert. Nicht nur selbsternannte Astro-Influencer*innen treiben dort ihr Unwesen, auch Prominente wie Palina Rojinski befeuern die Entwicklung. Letztere bietet unter dem Label „Astrolinski“ einen Newsletter für Astrologie an und eigenes Astro-Merchandising feil. Die Verbindung von Astrologie mit dem Aszendent kapitalistischer Vorteilnahme (oder auch Abzocke), sie steht in einem starken Haus, um mit der Welt der Sterne zu sprechen. In ihrem Debüt Stars begibt sich Katja Kullmann an die Schnittstelle von astronomischen Business und neuen Medien, indem sie die Geschichte von Carla Mittmann erzählt. Diese versieht nach einem gescheiterten Studium ihren Job als Angestellte eines Möbelherstellers im Großkundenservice, Spezialbereich Behördenausstattung. Doch das ist für die junge Frau alles andere als erfüllend und so betreibt sie nebenher als CosmicCharly einen Service für astrologische Beratung. Cosmic Carla Mittmann greift nach den Sternen Aus CosmicCharly wird bald cosmic Carla Mittmann, die nun unter ihrem eigentlichen Namen mit dem Ausbau ihres astrologischen Business beginnt. Persönliche Beratung unter dem Zeichen der Sterne oder digitale Beratung – immer größer wird die Nachfrage und umso exklusiver wird ihr Kundenstamm. Katja Kullmann zeichnet den Aufstieg der Frau nach, die sich für ihren Astro-Businesscase auch der im Studium erworbenen Kenntnisse bemächtigt, um bald über Instagram und Podcasts hinauszuwachsen und auch im Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk stattzufinden. Inspiriert von ihrem Vorbild Elizabeth Teissier steigt sie bald zur sogenannten „Astrophilosophin“ auf und verbrämt ihre zunächst eher noch ironisch betrachtete Sternenkunde mit philosophisches Wortgeklingel, zur Freude ihrer Kunden und den Medien. Die Sternendeuterin wird selbst zum Star. Dabei bleibt Kullmann eng an ihrer Protagonistin und zeichnet ihren Weg zu den Sternen eng nach. Erst Gespräche bei unterschiedlichen Fremden, die sich von der Astrologin Erkenntnisse erhoffen und in ihrer Hilflosigkeit doch schon bald zu ähneln beginnen. Alle sie suchen Orientierung bei den Sternen – und Carla steigt immer weiter auf und berät ihre Klientel, wobei sie selbst so manches Mal gar nicht so selbstsicher ist, wie sie es ihren Kunden vorgaukelt. Hoppla, hatte ich gerade wirklich das Wort „seriös“ gedacht? Die Astrologen und Astrologinnen waren zweifellos die Intellektuelle, die Gentlemen und Grandes Dames unter den Spinnern. Mehr hatte ich gar nicht sehen wollen. Katja Kullmann – Stars, S. 93 Der tiefere Blick bleibt aus Das ist unterhaltsam beschrieben und interessant, da sie sich mit dem Feld der Astrologie und den Geschäften darum zu einem Thema vorwagt, das in der „seriösen“ Literatur bislang eher ausgespart blieb. Freilich, eine tiefergehende Gründe für die Faszination der Sterne und die Verflechtung von Geschäft, Social Media und Mummenschanz kann und will sie nicht liefern. Auch bleiben die Figuren abseits von der Ich-Erzählerin Carla recht einfach gehalten – und zum Abgründigen hinter der Sternenfaszination, die im letztendlichen Triumph des Aberglaubens über das Wissen liegt und mit der (siehe AstroTV und Astrologie-Sendungen im Öffentlich-Rechtlichen) auch den Boden für Wissenschaftsskepsis und Wissenschaftsfeindlichkeit bereiten, zu all dem dringt Katja Kullmann nicht vor. So ist das kein Buch, das mit astronomisch gutem Plot und vertiefter Gesellschaftskritik aufwarten kann. Als Roman über die breit verankerte Faszination für Astrologie und den Blick auf die Geschäftsinteressen dahinter ist Stars aber ein interessantes literarisches Debüt, das dahingeht, wo die deutsche Gegenwartsliteratur sonst nicht blickt.

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