
ninchenpinchen
Etwas in Wanken bringen In einem anderen Roman las ich, dass es große Kunst sei, etwas ins Wanken zu bringen. Da ging es zwar um Fotografie, aber ich dachte sofort, dass es auch in der Literatur von Vorteil sei, bzw. interessant für den Leser. Das hat der Autor Tan Twan Eng hier sogar in doppelter Hinsicht geschafft. Er hat die Ehe der Protagonisten ganz gefährlich ins Wanken gebracht. Und auch die Ansichten und Befindlichkeiten zur Gerichtsverhandlung der des Mordes angeklagten Ethel Proudlock. E. P. war im Roman die Freundin der Lesley Hamlyn, um die es hier hauptsächlich geht. Und richtig rund ist der Roman auch, denn Anfang und Ende bilden eine super Harmonie. Da ich kurz vor der Lektüre noch ganz in der Nähe von Malaysia war, hatte ich noch zusätzlich große Freude an der Kultur und den Gewohnheiten der Einheimischen und erkannte vieles wieder, wenn auch gute hundert Jahre seit der Zeit der Erzählung bis heute vergangen sind. Eine große Rolle spielt der Autor Somerset Maugham, als Freund der Familie Robert und Lesley Hamlyn. Und als deren Gast in Penang, dem Kern-Ort der Romanhandlung. Somerset Maugham reist in Begleitung seines Sekretärs und Liebhabers Gerald und beide finden herzliche Aufnahme im Hamlyn-Haus am Meer. (Andamanen Meer) Robert und „Willie“ waren alte Freunde seit jeher und später versteht sich auch Lesley sehr gut mit Willie, wie der berühmte Autor hier meist genannt wird. Willie leidet sehr unter seiner Londoner Vernunftehe: „Sosehr Willie London liebte – der Drang, aus England auszubrechen, alles zurückzulassen, lauerte ständig in ihm, fraß sich in seine Knochen, in seine Seele. Syrie (seine Frau) spürte seinen Drang und passte wie ein Schießhund auf, um sich sofort darauf zu stürzen, sobald er sein Haupt erhob. Willie musste sie ständig beruhigen …“ (S. 59/60). Der Roman spielt auf drei Zeitebenen und auf zwei Kontinenten. Im Prolog und auch im Epilog befinden wir uns im Jahr 1947 in Doornfontein, Südafrika. Die Haupthandlung des Romans spielt sich in Penang, Malaysia ab, teils im Jahr 1910, teils im Jahr 1921. Die unterschiedlichen Kapitel beinhalten Lesleys Sicht, geschrieben in der Ich-Form und auch Maughams Sicht, geschrieben in der 3. Person Singular. Der Stil ist sehr poetisch und hat mir schon in der Leseprobe sehr gut gefallen. Das Cover ist stimmig dazu ausgewählt. Alle Locations gibt es wirklich (bei den Häusern weiß man es natürlich nicht) und auch der historische Rahmen entstammt der Geschichte. Fazit: Liebhaber poetischer Schreibweise und stiller Töne kommen hier auf ihre Kosten und Tan Twan Engs große Kunst besteht darin, dass der Inhalt des Romans nie schwülstig oder überladen wirkt, sondern genau passt. Auch die zum historischen Rahmen erfundenen Personen bewegen sich darin sehr glaubhaft. 4 verdiente Sterne.