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herbstrose

Posted on 19.4.2025

Der Nebel des Vergessens Britannien vor vielen hundert Jahren: Der große Krieg gegen die Sachsen ist beendet, die Leute leben in kleinen Gruppen in abgelegenen Siedlungen. Sie haben alles vergessen, was zuvor war, denn über dem Land liegt ein seltsamer Nebel, der ihnen die Sinne verwirrt und ihre Gedanken an früher auslöscht. Verbunden durch ihre große Zuneigung können sich Axl und Beatrice, ein betagtes Paar, jedoch noch dunkel an Vergangenes erinnern. Sie haben einen Sohn, den sie gerne noch einmal sehen würden. So verlassen sie eines Tages ihre Dorfgemeinschaft und begeben sich auf eine Wanderschaft, die sie zu ihrem Sohn führen soll. Unterwegs begegnen sie Drachen, Bestien und Rittern der Tafelrunde. Diese kämpfen und besiegen letztendlich das alte Ungeheuer, das den Nebel des Vergessens über das Land gelegt hat. Die Erinnerungen kehren zurück – ob das wohl von Vorteil für Axl und Beatrice und für die Menschheit sein wird? … Kazuo Ishiguro wurde 1954 in Nagasaki geboren. Bereits 1960 zog seine Familie nach England – und blieb dort. Schon während seines Studiums in Englisch und Philosophie machte er die Literaturszene mit Kurzgeschichten auf sich aufmerksam. Inzwischen schrieb er mehrere Romane, für die er zahlreiche Auszeichnungen und Preise erhielt und die auch teilweise verfilmt wurden. Der Autor ist seit Jahrzehnten britischer Staatsbürger, seit 1986 verheiratet und lebt in London. „Der begrabene Riese“ ist der siebte Roman des Autors. Er erschien zehn Jahre nach seinem großen Erfolg „Alles, was wir geben mussten“. Die Kritiken waren negativer als bei seinen Vorgängern, was hauptsächlich auf das Genre Fantasyroman zurückzuführen ist. Die Handlung ist im fünften oder sechsten Jahrhundert, zur Zeit der Artussage mit Hintergrund der Kriege gegen die Angelsachsen, angesiedelt. Es war eine Zeit, in der die Menschen an Geister, Dämonen und Fabelwesen glaubten und sich von ihnen beherrschen ließen. Es ist ein Roman über das Vergessen und das Erinnern. Wann ist es besser zu vergessen und wann ist es besser, sich zu erinnern? Diese Frage wird auf mehreren Ebenen behandelt. Den Protagonisten Axl und Beatrice fehlt die Erinnerung an ihre Liebe, an ihr gemeinsames Leben und an ihren Sohn – der Krieger Wistan und der alte Ritter Gawain sind politische Gegenspieler. Während Wistan den „begrabenen Riesen“ wieder zum Leben erwecken will, um vergangene Untaten aufzudecken und Rache walten zu lassen, möchte Gawain den Mantel des Vergessens über begangenes Unrecht decken, damit die alten Wunden heilen können. Die Figuren sind psychologisch vielschichtig angelegt und in ihren Handlungsweisen oft widersprüchlich. Das gespaltene Land, die Trostlosigkeit der Menschen und der über allem liegende Nebel des Vergessens schaffen eine bedrückende Atmosphäre, die durchweg anhält und zum Nachdenken anregt. Zugegeben, die Geschichte hat einige Längen und zieht sich bisweilen sehr dahin, aber durchhalten lohnt sich allemal, da es gegen Ende noch richtig spannend wird. Fazit: Wer Geschichten von Drachen, Menschenfressern und Ungeheuern mag, wird diesen Roman lieben – für mich war es doch etwas zu viel Fantasy.

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