marieause
Das ist ein Buch, das mich auch nach dem Lesen noch nachhaltig beschäftigt. Es geht um zwei, nein eigentlich sind es sogar vier Frauenleben. Da ist die Familie aus Österreich mit der pflegebedürftigen Mutter und Oma, die Familie bekommt die Betreuung nicht mehr hin. Dann Klara, die einen anspruchsvollen Job hat und ihn auch liebt und deshalb nach einer Lösung für ihre Mutter sucht. Und ihre Tochter, ein Oma-Kind, zu dem Klara wenig innere Verbundenheit hat. Die Lösung für das Pflegeproblem ist Paulína, eine Slowakin, die immer für 14 Tage bei der Familie lebt. Im Wechsel mit einem männlichen Pfleger, der hier aber eine untergeordnete Rolle spielt. Paulína ist eine echte Perle und wird schnell unentbehrlich in der Familie. Und aus anfänglicher Hilfsbereitschaft seitens Paulína wird dann ein Ausnutzen, denn Paulína wuppt das alles ja so wunderbar. Sie hat allerdings selbst ein Leben, eine Familie, die sie in der Slowakei zurücklassen musste. Danach fragt nur niemand. Ihr Kind ist krank? Egal, Hauptsache man kann den geplanten Wellnessurlaub durchziehen. Dann ein Scheinchen, dann passt das schon. Und schließlich ist man ja befreundet, nicht wahr? Das Buch legt den Finger in die Wunde - nein eigentlich sind es viele Wunden. Es beleuchtet primär den Pflegenotstand und was es mit den Pflegenden, die aus Osteuropa zu uns kommen, macht. Es zeigt aber auch auf, wo die ganze Last, Mental Load und Mental Care liegt, nämlich bei den Frauen und damit, warum es überhaupt so weit kommen muss. Die Männer im Leben der Frauen sind von Verantwortungslosigkeit und sorglos in den Tag hinein ihr eigenes Ding machen, gekennzeichnet. Sowohl Klaras Mann, der eigentlich Zeit genug hätte, seinen Teil am Familienleben beizutragen, sich aber aushalten lässt und und die Selbstverwirklichungsschiene fährt als auch Paulínas Exmann, der sich nur gelegentlich um seine Kinder kümmert, nur dann, wenn es ihm passt. Völlig unabhängig davon, ob seine Exfrau gerade ihre "Zuhause-Wochen" hat und die Kinder auch sehen möchte. Auch die finanzielle Verantwortung lädt er komplett ab. Ein Buch, das subtil und ohne Holzhammer die Machtverhältnisse deutlich macht. Das - obwohl der finale Paukenschlag gleich zu Beginn des Buches erfolgt - durchgehend fesselt und mich ratlos und nachdenklich zurücklässt. Das alles in nur 192 Seiten - eine bemerkenswerte Leistung.