
Buchdoktor
Lesley/Les Hamlyn ist seit Jahren verwitwet und lebt in den 40ern des vorigen Jahrhunderts auf einer abgelegenen Schaffarm in Südafrika. Sie war ihrem Mann Robert aus beider Heimat Penang/heute Malaysia hierher gefolgt, weil Robert 25 Jahre zuvor zunehmend an den Folgen des „Gaskriegs“ während des Ersten Weltkriegs litt und sich von der Klimaveränderung Linderung seiner Beschwerden erhoffte. Robert arbeitete in den 20ern als Rechtsanwalt; er und Lesley waren in der englischen Kolonie Teil einer gutsituierten britisch geprägten Community, die über zahlreiche Diener verfügte und gastfreie Häuser führte. In der Gegenwart hat Lesley keine Verpflichtungen mehr und hätte längst zurück nach Penang gegangen sein können. Als für den lange verstorbenen Robert aus London ein Buch eintrifft, konfrontiert das Lesly mit einem Besuch „Willies“, William Somerset Maugham mit seinem Liebhaber Gerald Haxton, 1921 bei den Hamlyns auf der Insel Penang. Die Rahmenhandlung in Südafrika 1947, Maughams Besuch in Penang, Lesleys Begegnung (1910) mit Sun Yat-sen in Penang, sowie den historischen Fall Ethel Proudlock (1911) fügt Tan Twan Eng zu einem Sittenbild britischer Expatriates im Vielvölkerstaat Malaysia. Wie in „Der Garten der Abendnebel“ und „The Gift of Rain“ lässt der Autor seine gealterte Protagonistin auf ihr Leben zurückblicken und sich mit ihrem Schicksal, aber auch ihren Fehlern versöhnen. Lesley Hamlyn wird in der Gegenwart von der Frage umgetrieben, ob sie damals Maugham im Überschwang eigene und fremde Angelegenheiten preisgeben haben könnte, obwohl sie ausdrücklich vor ihm als möglichem Geheimdienstmitarbeiter gewarnt worden war, der ohne Anonymisierung für seine Werke gnadenlos nutzte, was ihm zu Ohren kam. Das „Haus der Türen“ ist ein städtisches Geschäftshaus im klassischen Baustil, das als konspirativer Treffpunkt diente, mit einem Ladengeschäft unter Arkaden im Erdgeschoss und Fensterläden mit Lüftungsschlitzen, die für ständigen Luftzug sorgten und so die Hitze erträglich machten. Ein „Shophouse“ entspricht nicht dem auf dem Buchcover abgebildeten Haus. Fazit Tan Twan Eng vermittelt auch in seinem dritten Roman die Atmosphäre eines Vielvölkerstaates, in dem Nationalität, Staatsangehörigkeit, Sprache, Sozialisation und Tradition wie aufeinandergelegte Folien erst gemeinsam eine Identität ergeben. Die Tonlage ist auch hier berührend und melancholisch, bedingt durch Lesleys Rückschau auf ihr Leben und ihre Ehe. Die zynische Art der - zahlreichen - Figuren, andere Menschen finanziell und emotional auszunutzen, fand ich jedoch extrem unangenehm. Als Puzzlestein zu „Willie“ Somerset Maughams Werk gelesen, ist der Roman sicher eine Interessante Lektüre; mir haben Tan Twan Engs vorhergehenden Romane mit jeweils einer Hauptfigur um Längen besser gefallen und ich empfehle, sie zuerst zu lesen. 3 1/2 Sterne