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Posted on 12.4.2025

Ein Spiel mit Erinnerung, Wahrheit und literarischer Fiktion Mit „Das Haus der Türen“ legt Tan Twan Eng einen Roman vor, der sich zwischen Fiktion und Wirklichkeit bewegt. Im Zentrum der Handlung steht kein Geringerer als der berühmte englische Schriftsteller W. Somerset Maugham, der hier zumeist schlicht „Willie“ genannt wird. Im Jahr 1921 besucht er mit seinem Sekretär Malaysia, zu einer Zeit, in der er zwar weltweiten Ruhm genießt, jedoch mit erheblichen finanziellen Problemen zu kämpfen hat – eine fatale Fehlinvestition zwingt ihn dazu, dringend neues literarisches Material für einen Kurzgeschichtenband zu finden. Es ist der Beginn eines Spiels mit Erinnerung, Wahrheit und literarischer Fiktion. Willie ist zu Gast bei Lesley Hamlyn und ihrem Ehemann Robert. Während Robert durch seine gesellschaftlichen Verpflichtungen häufig abwesend ist, verbringen Willie und Lesley viel Zeit miteinander. Die anfangs unverbindlichen Gespräche zwischen Gastgeberin und Gast nehmen zunehmend eine tiefere Wendung, als Lesley beginnt, ihre Vergangenheit zu offenbaren. Dabei geht es nicht nur um ihre persönliche Geschichte, sondern auch um heikle politische und gesellschaftliche Themen der damaligen Zeit: Unterstützung chinesischer Rebellen, Affären beider Eheleute und insbesondere das dramatische Schicksal ihrer Freundin Ethel, die wegen Mordes an ihrem Mann vor Gericht stand. Tan Twan Eng gelingt es, diese Enthüllungen als gezielte literarische Strategie Lesleys darzustellen – sie füttert den erfolgsverwöhnten, aber ideenlosen Maugham bewusst mit Material. Der Schriftsteller, geplagt von Selbstzweifeln und dem Druck, einen neuen Bestseller zu liefern, wird zur Projektionsfläche für ihre Geschichten. Dass sich diese nicht nur im Roman, sondern auch im realen Werk Maughams wiederfinden, verleiht dem Buch eine reizvolle Doppelbödigkeit: „Das Haus der Türen“ balanciert gekonnt auf dem schmalen Grat zwischen historischer Realität und erzählerischer Ausschmückung. Die größte Stärke des Romans liegt zweifelsohne in der ruhigen, feinfühligen Erzählweise, mit der Tan Twan Eng die Atmosphäre des Hauses der Hamlyns schildert. Die Handlung schreitet gemächlich voran, begleitet von den täglichen Ritualen der Figuren, ihren abendlichen Drinks, dem rhythmischen Dahinfließen ihrer Gespräche. Fast wie eine Urlaubslektüre lässt sich der Roman anfangs lesen – wohltuend entschleunigt, dabei stets getragen von einer leisen Melancholie. In dieser Stimmung entfaltet sich eine große Nähe zu den Figuren, deren innere Konflikte und Ambivalenzen Tan Twan Eng mit großem Feingefühl offenlegt. Besonders Willie erscheint als komplexer Charakter: selbstbewusst und zugleich verunsichert, berühmt, aber gezeichnet von existenziellen Sorgen, getrieben von der Angst vor dem kreativen Stillstand. Doch nach etwa einem Drittel des Romans verändert sich der Ton merklich. Mit Lesleys Rückblick auf ihre Vergangenheit beginnt ein zweiter, dramatischerer Erzählstrang, der mit politischen Aufständen, Rebellion, Mord und Verrat aufwartet. Zwar vermag Tan Twan Eng auch diese Passagen souverän zu gestalten, doch sie rauben dem Roman seine bis dahin besondere Qualität – nämlich die stille Intimität, das psychologische Gespür für Zwischentöne. Stattdessen dominieren handlungsreiche Rückblicke, die in ihrer Art eher solide als herausragend wirken. Ethels Geschichte, so tragisch sie auch sein mag, bleibt im Vergleich zur Auseinandersetzung mit Maughams innerer Zerrissenheit eher konventionell und in Teilen zu langatmig. Diese stilistische und inhaltliche Zäsur reißt den Roman gewissermaßen entzwei. Man hat das Gefühl, zwei Bücher auf einmal zu lesen: eine fein komponierte, literarische Momentaufnahme auf der einen Seite und ein historisch-politisches Drama auf der anderen. Beide Teile für sich genommen haben ihre Qualitäten – gemeinsam aber harmonieren sie nur bedingt. Die Rückblicke unterbrechen den erzählerischen Fluss der Haupthandlung, und obwohl sie wichtige Kontextualisierung bieten, hätte ihnen eine stärkere Straffung gutgetan. Auch das Ende des Romans wirkt überladen. Anstatt in der Gegenwart der Erzählung zu verbleiben und Maughams Besuch in Malaysia ruhig ausklingen zu lassen, springt Tan Twan Eng plötzlich in die Zukunft, als wolle er noch schnell ein finales Resümee nachreichen. Dieser abrupte Zeitsprung wirkt überhastet und stört die zuvor so fein aufgebaute Atmosphäre. Gerade weil der Roman auf knapp 350 Seiten genügend Raum gehabt hätte, um seine Themen organisch auszuerzählen, erscheint dieser Abschluss unnötig forciert. „Das Haus der Türen“ ist ein lesenswerter Roman, vor allem wegen seiner ersten Hälfte, in der sich Tan Twan Eng auf das konzentriert, was er besonders gut beherrscht – das Spiel mit Figuren, Spannungen und psychologischer Tiefe auf engem Raum. Die leisen Beobachtungen, die klugen Dialoge und das Porträt eines Schriftstellers in der Krise hinterlassen Eindruck. Umso bedauerlicher ist es, dass der Roman am Ende den Mut verliert, sich auf diese Stärken zu verlassen, und stattdessen in konventionellere Gefilde ausweicht. Vielleicht hätte Das Haus der Türen als kürzere Novelle – mit einem Umfang von 150 bis 200 Seiten – sein volles Potenzial entfalten können. So aber bleibt ein Werk, das in Teilen glänzt, insgesamt jedoch etwas unausgewogen wirkt – lesenswert, aber nicht unvergesslich.

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