Profilbild von rapunzelxxl

rapunzelxxl

Posted on 8.4.2025

Death Lady Stellen Sie sich vor, Sie sitzen nichtsahnend in einem Flugzeug – vielleicht mit einem Kaffee in der Hand, vielleicht in Gedanken bei der Ankunft. Und dann steht plötzlich eine ältere Dame auf, geht durch den Gang und sagt jedem einzelnen Passagier, wie und wann er sterben wird. Klingt nach einem absurden Albtraum? Genau das ist der Ausgangspunkt von Vorsehung – und was danach folgt, ist ein tiefgründiges, lebensnahes und überraschend humorvolles Puzzle aus Schicksal, Entscheidung und Menschlichkeit. Liane Moriarty erzählt die Geschichte einer Handvoll Menschen, deren Leben sich durch die unerwünschten Prophezeiungen der mysteriösen „Death Lady“ Cherry radikal verändert. Vom frisch verheirateten Ehepaar über eine alleinerziehende Mutter bis hin zum trauernden jungen Mann – jede Figur ist so fein ausgearbeitet, dass man meint, sie persönlich zu kennen. Manche Kapitel sind gerade mal ein paar Absätze lang, andere tiefergehend – aber nie verliert man den roten Faden. Und auch wenn die Perspektiven wechseln, weiß man ziemlich schnell, wessen Gedanken man gerade folgt. Ein bisschen Geduld braucht man anfangs, ja – aber die wird reich belohnt. Was mich besonders berührt hat, war die Art, wie Moriarty mit dem Thema Tod umgeht: Ohne Pathos, aber mit Tiefgang. Ohne billige Schockeffekte, dafür mit echtem Mitgefühl. Es geht nicht nur um die Frage „Was wäre, wenn?“, sondern viel mehr um „Was machst du mit dem, was du weißt?“ – und das auf eine Weise, die zum Nachdenken anregt, ohne schwer im Magen zu liegen. Cherry, die rätselhafte Frau mit den tödlichen Vorhersagen, war mir anfangs ehrlich gesagt ziemlich unsympathisch. Schrullig, übergriffig, fast schon unangenehm. Aber je mehr man über sie erfährt, desto mehr weicht die Skepsis einer fast zärtlichen Faszination. Und genau das liebe ich an Moriartys Büchern: Diese Fähigkeit, Figuren nicht nur darzustellen, sondern sie wachsen zu lassen – und damit auch den Blick des Lesers. War alles perfekt? Nein, natürlich nicht. Manche Charaktere bekommen deutlich mehr Raum als andere, und es gab Kapitel, bei denen ich mir dachte: Jetzt aber weiter! Aber am Ende war es ein Gesamtbild, das mich vollkommen überzeugt hat. Ein Ende, das vielleicht nicht jedem gefallen wird – aber für mich war es genau richtig. Fazit: Vorsehung ist kein Buch, das man mal eben nebenbei liest. Es ist ein Buch, das mit einem bleibt. Das Fragen stellt, ohne einfache Antworten zu geben. Und das – trotz allem – immer wieder zum Lächeln bringt. Für alle, die Geschichten lieben, die das Leben spiegeln, in all seiner Schönheit, Absurdität und Zerbrechlichkeit: Unbedingt lesen.

zurück nach oben