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ele95

Posted on 7.4.2025

Die Gerüche der Kathedrale, Sachbuch von Wendy Wauters, 400 Seiten, Theiss in der Verlag Herder GmbH Eine sinnliche Rekonstruktion des Alltagslebens im Spätmittelalter in Antwerpen Die Autorin ist promovierte Kunsthistorikerin und hat eine preisgekrönte Dissertation über die Lebenswelt mittelalterlicher Kirchgänger verfasst. Sie arbeitete als Leiterin der Sachbuchsammlung der Bibliotheken von Antwerpen. Das Buch besteht aus 17 Kapiteln mit dem zum Inhalt passenden Titel. Die Abschnitte tragen ebenfalls eine inhaltsbezogene Überschrift. Zu Beginn der Kapitel ist ein zeitgenössisches Bild platziert. Ein ausführlicher Bildteil ist in der Mitte des Buches eingefügt. Grundrisse, Gemälde, Skulpturen, Ausschnitte aus Gemälden, Skizzen und Fotos auf die im Text hingewiesen wird, sind dort zusammengefasst. Berichte von Zeitzeugen sind in alter Sprache und in einer anderen Schrift eingefügt. Am Ende befindet sich eine Zeittafel und der Antwerpener Festkalender. Ich habe sehr lange am Buch gelesen, denn durch die Hinweise auf die passende Illustration im opulenten Bildteil wurde mein Lesefluss immer wieder unterbrochen, auch schien mir der zeitliche Ablauf nicht ganz chronologisch, auch beim dazugehörigen Bildmaterial musste ich immer wieder vor und zurückblättern, Quellenhinweise sind nicht stören nicht, denn die Bibliografie ist ganz hinten im Buch zusammengefasst. Das fand ich sehr angenehm. Fasziniert hat mich jedoch wie gründlich die Autorin auf die Sinneseindrücke in der Kathedrale bzw. bei einem Gottesdienst, sowie Kirchenbesuche im ausgehenden Mittelalter eingegangen ist. Natürlich, wie im Titel beschrieben, vor allem auf die Gerüche, Ausdünstungen der Gläubigen, den von Körperhygiene hielt man damals nicht viel. Schlechter Atem, Schweiß, übertüncht mit Parfüm, ungewaschenen Kleider, Krankheiten etc. Dazu kamen Gerüche von Tieren du ihren Ausscheidungen, z.B. Hunden die sich in der Kathedrale aufhielten, sogar eine Tierherde wurde durch die Kirche getrieben, als Abkürzung des Weges. Damals wurden die Toten direkt im Boden unter der Kathedrale bestattet, nicht so tief und nur mit etwas Erde bedeckt, verursachte Fäulnis und Verwesungsgeruch. Überschwemmungen, Pest, gemischt mit Weihrauch und Räucherwerk gegen Krankheiten, verursachten besonders im Sommer bestialischen Gestank. Doch die Sinneseindrücke gehen weit über olfaktorische Eindrücke hinaus, denn auch für die Augen war einiges geboten, Gold Silber und Farben, Bilder Statuen Pracht und Pomp an allen Ecken. Dazu gab es auch für die Ohren genügend Wahrnehmungen. Predigten, Gesänge, Orgelspiel, Glocken, Schellen und so manch unangemessene Unterhaltung. Es war schwer damals in einer Kirche kontemplativ zu sein. Zusätzlich ist das religiöse Leben im Mittelalter gut und ausführlich beschrieben. Ein farbiges Bild des Lebens in der entsprechenden Zeit. Ein besonderer Abschnitt ist dem Bildersturm gewidmet, wie viele Kunstwerke sind dadurch verloren gegangen. Ich habe viel durch dieses Buch dazugelernt. Es ist eher als Nachschlagewerk denn als Unterhaltungslektüre geeignet. Wer sich für das religiöse Leben im ausgehenden Mittelalter, für Gottesdienste und Kirche, vor allem für die Antwerpener Kathederale zu dieser Zeit interessiert, ist hier richtig, Von mir 4 Sterne.

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