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sophiesyndrom

Posted on 6.4.2025

Tahsim und seine Mama sind das Highlight auf meiner TikTok fy-page und das hat nun ein Äquivalent in Schriftform gefunden, denn Tahsim hat ein Buch geschrieben. So ungefiltert, wie er sich auf seinen Social Media Kanälen gibt, schreibt er über seine Familie, seine Kindheit, dafür, dass seine Mama träumen kann. Die Migrationsgeschichte seiner Familie prägt dabei alle Lebensbereiche und Tahsim übernimmt bereits früh sehr viel Verantwortung – vor allem in der Rolle als Dolmetscher, um das Leben seiner Familie in Deutschland zu sichern. Er zeichnet ein Portrait von Deutschland, in dem es einerseits so vielfältige Gesichter gibt, so viel Sprache, so viele Worte und gleichzeitig so viel Unverständnis, Abweisung und Rassismus. Sowohl in der Nachbarschaft, in der Schule als auch bei der Ausländerbehörde muss Tahsim bemerken, wie Grenzen gezogen und Bemühungen um ein gegenseitiges Verständnis abgeblockt werden. Der Untertitel des Buches benennt es treffend: „Ein Eingliederungsversuch in eine geschlossene Gesellschaft“. Die vielen schönen Momente im Beisein seiner Familie und seinen Freunden existieren in Gleichzeitigkeit mit der sprachlichen Gewalt, der Demütigung, die Tahsim abseits der Gerüstlandschaft entgegengebracht werden. Tahsim bildet bereits als kleines Kind einen starken Beschützerinstinkt aus, der aus einem Wollen und einem Müssen herrührt. Eine weitere Gleichzeitigkeit, die jegliche Gefühle in sich vereint: Scham, Erschöpfung, Wut wie auch Liebe, Zuneigung und Glück. Tahsims Rhetorik ist voller Humor, Liebe und Respekt, bringt einem zum Lachen und trifft direkt ins Herz. Seine Sprache, die vielleicht nicht an die poetische Sprachgewandtheit seiner Mama herankommt, die auf kurdisch die schönsten Metaphern formt, berührt so tief, dass Tahsims Geschichte im Gedächtnis bleibt. Das Buch habe ich auf dem Weg zu seiner Lesung im Rahmen der lit.Cologne gelesen und es hat mich kaum überrascht, dass diese eineinhalb Stunden die Lektüre noch einmal eindringlicher gemacht haben. Die Ausschnitte, die er vorgelesen hat, die zusätzlichen Anekdoten erweiterten mein bisheriges Leseerlebnis. Es war ein sehr schöner Abend für ein eindrucksvolles und sehr persönliches Buch. Eine Geschichte, die gelesen und gehört werden sollte. Und mit den Worten deiner Mama würde ich die Rezension gern enden lassen: Glückwunschen, Tahsim. Endlich ist alles gut.

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