
herbstrose
Wenn die Erinnerung plötzlich zurückkehrt … Henning, Mitte 30, macht mit seiner Familie über Weihnachten bis ins Neue Jahr 14 Tage Urlaub auf Lanzarote. Durch seinen Beruf als Lektor eines Verlages ist er sehr gestresst und leidet deshalb an häufigen Panikattacken, die er „Es“ nennt und die ihn in ständige Angst versetzen. Um den quälenden Gedanken zu entkommen, fährt Henning am Neujahrsmorgen mit dem Fahrrad von seinem Feriendomizil Femés ins nahe Gebirge, wo er sich die steile Passstraße hinauf quält. Oben angekommen bricht er vor Erschöpfung zusammen und bekommt Hilfe von Lisa, die dort eine Kunstgallery betreibt. Er sieht sich um und blitzartig überfällt ihn die Erinnerung, dass er als Kind schon einmal hier war. Plötzlich ist er wieder vier Jahre alt und mit seiner kleinen Schwester Luna alleine im Ferienhaus. Wo sind die Eltern? Ein schrecklicher Alptraum nimmt seinen Lauf … Juli Zeh (Julia Barbara Finck, geb. Zeh), geb. 1974 in Bonn, ist eine deutsche Schriftstellerin, Juristin und ehrenamtliche Richterin am Verfassungsgericht des Landes Brandenburg. Sie lebte viele Jahre in Leipzig, bevor sie 2007 in das Dorf Barnewitz im Havelland in Brandenburg zog. Sie ist mit dem Schriftsteller David Finck verheiratet und Mutter zweier Kinder. Für ihre Romane, Kurzgeschichten, Essays, Theaterstücke, Sachbücher und Kinderbücher erhielt sie zahlreiche Auszeichnungen und Preise. Der Roman „Neujahr“ erschien 2018 im Luchterhand-Verlag, im selben Jahr erhielt Juli Zeh auch das Bundesverdienstkreuz. „Neujahr“ ist nicht ihr bestes, aber trotzdem, wie die Autorin sich selbst in einem Interview äußerte, eines ihrer wichtigsten Bücher. Der Roman wirkt auf mich, als hätte sie zwei Geschichten mit derselben Hauptperson zu einer verschmolzen. In ihrer gewohnt klaren und schnörkellosen Sprache konstruiert sie klug die Gegenwart (Jahreswechsel 2017/18) mit Hennings Trauma aus seiner Kindheit (vor 30 Jahren), das noch heute in Panikattacken nachwirkt. Es geht hauptsächlich um die Rolle des Mannes in der Familie, der vieles anders und besser machen will als seine Eltern, sich dabei aber überfordert fühlt und Angst hat zu scheitern. Wut treibt Henning die Bergstraße hinauf, Wut auf „ES“, seine Panikanfälle, auf seinen Job und auf seine Frau, die seine Schwächen erkennt und ihn ständig kritisiert. Dann befinden wir uns plötzlich in seiner Vergangenheit, in seiner Kindheit, und entschlüsseln allmählich das dunkle Geheimnis, das ihn an seine Schwester Luna bindet. Ob es ihm wohl gelingt, durch das Erinnern sein Trauma aus der Welt zu schaffen? Das muss jeder Leser selbst herausfinden! Fazit: Wie schon erwähnt nicht das beste Buch der Autorin, dennoch ein großartiger Roman, den ich guten Gewissens weiter empfehlen kann!