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Buchdoktor

Posted on 4.4.2025

Wanda ist fast 13 und hat ein Wutproblem. Als Adam und Sophie sie als Pflegekind aufnehmen, scheint sie das große Los gezogen zu haben; denn Jugendliche finden nur schwer eine Pflegestelle. Das Paar, das mit „Liebes“ und „Süße“ nur so um sich wirft, überlegt es sich allerdings nach wenigen Tagen anders und will Wanda wieder zurück ins Kinderheim schicken. Das Schlimmste für Wanda ist jedoch, dass kurz vor ihrer Vermittlung der wichtigste Mensch aus ihrem Leben verschwand, Toni, die immer für Wanda da war. Zum Abschied hat Toni Wanda ein Sternenkarten-Tattoo auf die Haut gemalt. Wanda, die mit Hilfe von Waisenkindgeschichten alles richtig machen wollte, hat aus dem Heim ab; ausgerechnet an dem Tag, als in Berlin eine betagte Bärin aus ihrem trostlosen Gehege flüchtet und auf der Suche nach einem Unterschlupf ist. Ungenutzte Katakomben und menschenfreie Brachen mag es in der Stadt ja geben, aber wie kann sich eine Bärin verbergen, die ja auch fressen muss? Wanda findet den idealen Unterschlupf in einem historischen Torhaus, das zurzeit renoviert wird und in das sich außer ihr niemand trauen wird, wie sie hofft. Tonis kesse Sprüche stets im Ohr geben ihr Kraft für das Leben auf der Straße – ohne Geld, ohne Nahrung. Ihre Wege kreuzen die von Jo, der in einem Hotel arbeitet, Sami, der vor Gewitter ebenso große Angst hat wie vor der Abschiebung seiner Familie, einer weißhaarigen älteren Frau mit einem kleinen Garten auf dem Hut, und Peri, die zufällig mit ihrem Hortausflug vorbeikommt. Als für die Entdeckung der entlaufenen Bärin ein Preis ausgesetzt wird, scheint sich für die Kinder alles zum Guten zu wenden. Wer die Bärin findet, soll einen Wunsch frei haben – und für wen wäre das nicht willkommener als für Sami? Doch die Aktion stresst die Gruppe – braucht man etwa eine Telefonnummer oder eine Meldeadresse, um an der Suche teilnehmen zu dürfen? Während Wanda und ihre Unterstützer der Bärin nachspüren, entfaltet sich Schicht für Schicht die Persönlichkeit der Kinder und des etwas älteren Jo. Alle haben ihre Ängste und Geheimnisse, alle haben zuvor unter großer Anstrengung die Fassade gewahrt. Besonders berührt hat mich die Figur der abwesenden Toni; die Beziehung zu ihr verdeutlichte indirekt Wandas Situation. Auch Janine, die hilft, weil sie es kann, ist eine hinreißende Figur. Dass die Innenwelt jeder Figur Schritt für Schritt gezeigt wird und das Schicksal der Bärin bis zum Schluss offen bleibt, sorgt für einen straffen Spannungsbogen. Ob jugendliche Leser sich jedoch bis zur Aufdeckung von Doras Geheimnis (der Frau mit dem Hütchen) gedulden, sei dahingestellt. Fazit Hinter einem lavendelfarbenen Farbschnitt, der Bezug zum Inhalt des Buches hat, ein berührender Roman mit fantastischen Elementen und voller Sprachwitz.

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