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lynn

Posted on 30.3.2025

Regt zum Beobachten und Nachdenken an „Schwimmen im Glas“ ist eine leise, feinfühlig erzählte Geschichte, die viele kleine Beobachtungen macht, statt laut Anklage zu erheben. In kindlicher Unschuld betrachtet die aufmerksame Lore recht wertungsfrei die Welt um sich herum, ein Dorf im ländlichen Österreich der 90er Jahre. Mit bemerkenswerter Scharfsinnigkeit erzählt sie, was sie sieht und zeichnet so mit einer Vielzahl kleiner Beobachtungen meisterhaft das komplexe Bild patriarchalischer Gesellschaftsstrukturen, in der von so vielen so wenig hinterfragt wird. Der Schreibstil ist sehr besonders, ein bisschen eigentümlich vielleicht – im besten Sinne. Es wird so anschaulich erzählt, dass man sich wirklich gut in Lore hineinversetzten kann, ihre Neugierde, ihre Unsicherheiten, ihre Ohnmacht angesichts so starrer – wenn auch unsinnig erscheinender – gesellschaftlicher Regeln. Zudem gibt die Sprache die Sicht der kindlichen Lore sehr schön wieder und ist trotzdem für den erwachsenen Leser angenehm zu lesen. Insgesamt werden Lores Beobachtungen wie auch ihre Gedankenwelt sehr berührend und anschaulich dargestellt. Die Handlung dreht sich überwiegend um Lore als zehn- bis zwölfjähriges Kind. Nur ab und zu kommen Einschübe aus ihrem Erwachsenenleben, die wirklich sehr gelungen in den Erzählfluss integriert werden und die ganze Geschichte abrunden. Hier finde ich den Klappentext allerdings ein kleines bisschen irreführend, ursprünglich dachte ich, beide Zeitebenen würden ähnlich gewichtet werden. Auch Lores Konfrontation mit der Vergangenheit als Erwachsene scheint mir nicht ganz so handlungstragend, sondern eher ein schöner Abschluss zu sein. Insgesamt ist es eine schön und einfühlsam erzählte Geschichte, die zum Nachdenken und aufmerksamen Beobachten anregt.

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