
mabuerele
„...Verlust ist ein natürlicher Bestandteil des Lebens. Wir müssen ihn akzeptieren. Wir müssen lernen loszulassen...“ Seitdem Lenas Schwester Jette ein Opfer des Gezeitenmörders wurde, verarbeitet Lena das Geschehen in Alpträumen. Darin spricht sie mit ihrer Schwester. Aus einem der Träume stammt das Zitat. Der Autor hat einen fesselnden und geschickt konstruierten Thriller geschrieben. Als Leser steht man genau wie die Protagonisten häufig vor der Frage: Was ist Wahrheit? Was ist Schein? Kurze Kapitel und schnell wechselnde Handlungsorte sowie Rückblicke in die jüngere Vergangenheit sorgen für den rasanten Ablauf des Geschehens. Lena Funk ist Kommissarin. Nachdem es bei der Suche nach dem Gezeitenmörder keine Fortschritte gab, hat sie sich eine Auszeit genommen. „...Zunehmend gewann sie den Eindruck, dass falsche Schwerpunkte gesetzt wurden. Ihrer Kritik begegnete man erst argumentativ, dann gereizt und schließlich verärgert, bis man ihr die Tür vor der Nase zuschlug...“ Doch nun ist sie zurück. Sie besitzt einige Schmuckstücke, die zu den Trophäen des Gezeitenmörders gehörten. Ihre Erklärung, wie sie dazu gekommen ist, weisen Unstimmigkeiten auf. Also begibt sie sich in eine Hypnosebehandlung. Die aber wirft mehr Fragen auf, als das sie Antworten gibt. Zunehmend muss sie sich die Frage stellen, wem sie noch vertrauen kann. Das betrifft selbst ihren Vorgesetzten. Ich mag es, wie gekonnt Fachwissen in die Handlung integriert wird. So geht es zum Beispiel um Verwerfungen auf eine Hallig. „...Der Klimawandel verursacht nicht nur Sturmfluten, sondern auch Trockenperioden. Wenn der Wasserspiegel am Fething sinkt, kann der Warftkörpeer zusammensacken und die Gebäude bekommen Risse...“ Die See und ihre Veränderungen je nach Wetterlage geben der Handlung ein ganz eigenes Flair und eine leicht düstere Stimmung. Lenas Schwester Jette war Ärztin, hat aber in der Pharmaforschung gearbeitet. Sie entsprach auch nicht dem Opferschema des Gezeitenmörders. Als Lena in diese Richtung ermittelt, wird es kreuzgefährlich. Plötzlich wird sie mit Themen konfrontiert, die normalerweise geheim gehalten werden. „...Unser Gedächtnis arbeitet rekonstruktiv und konstruktiv. Also wiederherstellend und aufbauend. Es kann abgespeicherte Informationen abrufen, aber sie werden durch unsere Wünsche, Bedürfnisse oder Ziele verändert...“ Natürlich scheut sich der Autor auch nicht, brisante gesellschaftliche Themen anzusprechen. Ich möchte dazu nur ein Zitat anführen. Darüber könnte man sich ein Menge Gedanken machen. „...Ihr seid eine gläserne Gesellschaft, da kann sich jeder bedienen, der Lust hat. Und das Unglaubliche ist: Ihr wisst es die ganze Zeit, sogar eure Medien berichten darüber, aber ihr unternehmt nichts. Gar nichts!...“ Der Roman konfrontiert mich als Leser mit überraschenden Wendungen. Gleichzeitig ermöglicht er einen Einblick in die Psyche der Protagonisten. Er ist emotional dicht. Am Ende bleibt keine Frage offen. Alle Rätsel werden gelöst. Das Buch hat mich ausgezeichnet unterhalten.