
marcello
Nach „Lessons in Faking“ habe ich Selina Mae sofort auf die Liste meiner Autorinnen gepackt, die ich fortan genauer beobachten und verfolgen werde. Auf „Lessons in Forgiving“ musste ich nun auch gar nicht lange warten. Ich hatte davon gesprochen, dass da noch mehr bei der Autorin geht, ob der zweite Band das schon bewiesen hat? Ich würde insgesamt wohl sagen, dass ich ein sehr zwiespältiges Bild von „Lessons in Forgiving“ erhalten habe. Es gab wieder genug Stellen, die mich sehr verzaubert haben. Maes Stärke bleibt, wenn das Paar ganz von sich ist, dass immer eine intime und intensive Atmosphäre entsteht und man den beiden gerne bei allem weiteren folgt. Umgekehrt ergab sich für mich durch die fehlende männliche Perspektive (ich hatte nicht erwartet, dass sich das mitten in der Reihe noch ändert) ein großer Nachteil. Dieser Band hat echt deutlich bewiesen, warum so eine GEMEINSAME Liebesgeschichte auch beide Perspektiven braucht. Als ich in New Adult angefangen habe, war die weibliche Perspektive üblich und es hat mir damals gereicht, aber inzwischen habe ich so viele Reihen mit beiden Perspektiven gelesen und es ist immer besser, sodass ich nur eine Sichtweise immer bedauere und vergleiche. Warum war es jetzt hier so gravierend? Wahrscheinlich hat den Startschuss schon die Widmung von Mae gegeben. Diese schließt mit den Dankesworten nachher einen Kreis und die Autorin hat dabei etwas sehr Persönliches geteilt. Und ich stimme ihrer Aussage sogar oft genug zu, gleichzeitig ist es doch etwas seltsam, dass bei einem Buch zu lesen, dass den Trope ‚Second Chance‘ bedient. New Adult steht oft auch in der Kritik, Mädchen und jungen Frau falsche Vorstellungen zu geben, vielleicht kommt daher auch diese Betonung, dass manche Ex aus dem richtigen Grund der Ex sind. Aber gerade wegen dieser vorangestellten ‚Warnung‘ habe ich für mich bemerkt, Henry mit einer gewissen Vorsicht zu begegnen. Da wir nicht genau wissen, was einst zwischen Henry und Paula vorgefallen ist, haben wir ein Mysterium und ich habe mich immer gefragt, was hat er wohl getan? Und dann habe ich mich wieder geärgert, dass ich es so einseitig bei ihm gesucht habe. Denn man muss echt sagen, dass Henry weder in der Vergangenheit noch in der Gegenwart Skepsis verdient hätte. Im ersten Band hat er schon eine Rolle gespielt. Er war mir dort nicht übermäßig sympathisch, weil seine Fehde mit Dylan schon etwas anstrengend war, aber da wir dort auch nur die Perspektive von Athelia hatten, waren wir gefangen in ihrer belasteten Wahrnehmung. Aber es war schon ersichtlich, dass wir dort zwei Geschwister haben, die sich alles bedeuten, aber durch einen schlimmen Schicksalsschlag viel aufgebürdet bekommen haben, was gegen sie gespielt hat. Nun erlaubt uns dieser zweite Band nicht, Henry richtig hinter die Birne zu gucken. Und auch wenn er sehr strukturiert, wenig flexibel ist (aber das bin ich selbst auch und ich mag es an mir oft genug auch), so ist das schnell viel mehr. Schon alleine die erste Begegnung hat sofort ein Bild von ihm gezeichnet, was sich immer weiter verdichtet. Deswegen hat mich stellenweise dann ein wenig geärgert, dass immer wieder Bemerkungen zu Henry kamen, die nicht passten. An einer Stelle heißt es konkret, er wäre nicht empathisch. Reden wir vom selben Henry? Sooft wie er Paula priorisiert hat, wie er für sie etwas getan hat, weil er für sie mitgedacht hat, da passt es einfach nicht. Und jeder muss und sollte mal egoistische Momente haben und gerade in stressigen Phasen ist es auch nachvollziehbar, aber die Charakterisierung passt als Gesamtfazit überhaupt nicht. Letztlich mündet das dann auch in der Enthüllung, was in der Vergangenheit genau passiert ist und auch hier hat mich dann gestört, dass es immer darum ging, wie Paula ihm verziehen kann? Dabei hatte ich angesichts des Konflikts das Gefühl, dass es weniger um individuelle Fehler ging, sondern um fehlende Kommunikation. Ich bin sicher, dass Henry und Paula es geklärt bekommen hätten, wenn sie nur einmal mit etwas zeitlichem Abstand miteinander geredet hätten. Und gerade angesichts dieser Gesamtperspektive waren manche Tendenzen schon fast ärgerlich. Das bedeutet keinesfalls, dass ich das Gefühl hatte, dass Mae etwas gegen Henry hatte, keinesfalls. Er wird ihr auch ein lieber Bookboyfriend gewesen sein, aber es wurden zu viele Chancen vertan, Henry wesentlich mehr Raum zu geben und dadurch die gemeinsame Geschichte ausgeglichener zu machen. In dem Kontext war Paulas stellenweise sehr naive Art auch schwierig, weil ich anfangs auch Alarmglocken hatte, in was sie sich da wohl noch reiten wird. Kommen wir aber nochmal zu den Basics zurück. Mae kann für mich schreiben und sie hat auch an sich eine gute Entwicklung der gemeinsamen Geschichte präsentiert. Deswegen, es war keinesfalls ein Reinfall. Vielleicht könnte ich „Lessons in Forgiving“ auch nochmal anders lesen, wenn ich jetzt weiß, was passiert. Denn die beiden funktionieren miteinander, wenn sie alleine sind, wird das wieder und wieder bewiesen. Doch das Lesen war für mich beeinflusst und nur das kann ich gerade bewerten. Fazit: Selina Mae hat mich mit „Lessons in Forgiving“ doch sehr herausgefordert. Durch die Widmung wurde dem Buch eine Vorhersehung mitgegeben, die mich zu sehr beeinflusst hat. Es war wahrscheinlich alles nicht beabsichtigt, aber es ist passiert. Aber für mich war die Darstellung von Henry viel zu dürftig. Dabei hat er wohl den Green Flag-Pokal verdient. Für mich hätte es echt eine Highlight-Paarung werden können, aber gewisse Entscheidungen haben das verhindert.