
claudi-1963
"Die 70er Jahre waren eine Zeit des Wandels, der Freiheit und des Fortschritts. Die Musik war berauschend, die Mode war kühn und die Menschen waren auf der Suche nach neuen Horizonten. Es war eine Ära der Liebe und des Friedens, in der Träume wahr wurden." April 1972: Bei ihrer nächtlichen Party in der Penthousewohnung stürzt die holländische Journalistin Nelie Hendriks von der Terrasse. Hat sie wirklich Selbstmord begangen oder wurde bei ihr nachgeholfen? Aber bringt sich eine Frau um und lässt ihr Kind alleine zurück? Zusammen mit ihrem Vorgesetzten, Polizeihauptkommissar Schulze, untersucht Kommissarin Clara Frings Nelies Tod. Dabei wird sie tatkräftig von ihrer Freundin Elfi Mayer, einer Journalistin bei der Bonner Zeitung, unterstützt. Die hat natürlich selbst das größte Interesse, eine gute Story zu ergattern. Verbissen bleibt Clara an ihrem ersten Fall, selbst nachdem die Akte geschlossen wird. Denn viel zu viele Ungereimtheiten geschehen rund um Nelies Tod. Doch wer war damals bei dieser Party alles dabei und hätte ein Interesse an Nelies Tod? In dem männerdominierten "Bonner Raumschiff" muss sie sich gegen Alt-Nazis, mächtige Männer aus der Politik und sogar Journalisten als Frau behaupten. Und auch in ihrem Privatleben gibt es nicht mehr viel zu lachen. Erst nach Willy Brandts Rücktritt kommt sie in ihrem Fall weiter voran. Meine Meinung: Ich hatte schon vermutet, dass mich bei diesem historischen Krimi relativ viel Politisches rund um die 70er Jahre erwartet. Allerdings habe ich nicht mit so vielen Einblicken in das Privatleben der Kommissarin Clara Frings gerechnet. Dadurch kommen meiner Meinung nach die Ermittlungen um ihren Tod etwas zu kurz. Überhaupt fand ich, ist dieses Buch eher ein politischer Gesellschaftsroman mit kriminellem Einfluss statt ein Krimi. Wer politisch allerdings an den 70er Jahren Interesse hat oder noch mehr erfahren möchte, der ist hier bestens aufgehoben. Allerdings war es mir an reiner Polizeiarbeit und Spannung dann doch etwas zu wenig. Dagegen erfahren wir viel über die politische Lage Bonns, Studentenproteste, RAF-Terrorismus und vor allem die schwere Lage der Frauen zu jener Zeit, die hier ausführlichst dargestellt wird. Damals gibt es noch keine Emanzipation, die Frauen sind in der Berufswelt eine Minderheit. Sie sind, wie man heute so schön sagt, das Heimchen am Herd. Ganz nach dem Motto aus diesem Buch: "Männer lieben Frauen, solange sie hübsch aussehen, hübsch daherreden und sich hübsch unterordnen." Clara Frings allerdings scheint da die Ausnahme zu sein. Sie hat es geschafft, als Kommissarin und darf nun ihren ersten Fall bearbeiten. Selbst wenn es ihrem Mann Hajo lieber wäre, dass sie ihr zweites Kind bekommt und wieder zu Hause bleibt. Jedoch will sie sich nicht mehr von einem Mann dirigieren lassen und verhütet heimlich. Genauso forsch geht sie in ihrem Beruf voran und das gegen jede Schwierigkeit vonseiten der starken Männerdomäne. Ich frage mich schon, warum damals ledige Frauen als Fräulein tituliert wurden. Nur gut, dass diese Anrede in den 70ern ebenfalls ihr Ende fand und die Frauen begannen, sich zu emanzipieren. Leider stelle ich mir unter einer hochspannenden Geschichte, wie der Klappentext bezeichnet, etwas anderes vor als dieses Buch. Von Bonn als Setting bekomme ich ebenfalls wenig zu spüren. Der Krimi könnte genauso gut in jeder anderen Stadt spielen. Lediglich weil damals Bonn noch Hauptstadt war, kann man es damit herleiten. Hervorragend dagegen sind die Recherchen der beiden Autorinnen über die damalige Zeit, die für mich allerdings nichts Neues war. Doch für jüngere Leser sind die Rückblicke in die Politik der 70er Jahre sicher interessant, nur sollte man keinen Krimi im herkömmlichen Sinne erwarten, sonst wird man enttäuscht. Darum bekommt dieses Buch von mir 3 Sterne.