
Buchdoktor
Die kurze Blüte deutscher Autorinnen 1926-33 war knapp nach Einführung des Frauenwahlrechts 1918 geprägt vom ungewohnten Frauensport, der Einführung von PKW und Fahrrad, wachsender Popularität von Film, Theater und Radio, androgynem Auftreten von Frauen und nichtbinären Identitäten. Eine Blüte, die 1933 abrupt mit Bücherverbrennung und dem Verbot jüdischer Autor:innen endete. Gerade in Autorinnenbiografien interessiert mich besonders, wie schreibende Frauen ihren Lebensunterhalt verdienten, ehe sie ihren ersten Verlagsvertrag unterschreiben konnten, und wie sie (als Ledige) überhaupt eine Wohnung fanden zu einer Zeit, als verwitweten berufstätigen Frauen selbstverständlich die Wohnung gekündigte wurde, weil sie als Vertragspartnerin nicht akzeptiert waren. Zu diesen Interessen liefert Regine Ahrem mit ihrer episodenhaft erzählten Sammelbiografie interessantes Material. Erika Mann, die zwischen ihren Reportagereisen lebenslang in die Familienvilla zurückkehrte, und Irmgard Keun, die aus großbürgerlicher Familie stammte und in der väterlichen Firma als Stenotypistin arbeitete, haben zum Thema Wohnungssuche zwar wenig zu bieten. Mascha Kalékos Herkunft aus dem Berliner Scheunenviertel war dagegen für Frauen ihrer Epoche repräsentativer; sie teilte sich als junge Dichterin ein Zimmer mit drei Schwestern. Hochinteressant waren für mich die Tätigkeit Gabriele Tergits als Gerichtsreporterin beim Berliner Tageblatt, die damit die Gerichtsberichterstattung als eigenes Genre etablierte, aber auch die Verlagsbeziehungen der Genannten zu S. Fischer, Ullstein und Rowohlt. Der Ullstein Verlag punktete damit, dass er seine Autorinnen mit sicherem Einkommen als Zeitschriftenredakteurinnen beschäftigte, so dass ihr Name als Marke etabliert wurde und sie im direkten Kontakt Themen aufnehmen konnten, die ihre Leserinnen umtreiben. Aus der Gruppe erfolgreicher Autorinnen ragt Marieluise Fleißer heraus, die sich in tragische Abhängigkeiten von dominanten Männern verstrickte und geschlagen nur unter das Dach einer Familie zurückkehren konnte, die eine Arbeitskraft benötigte. Fazit Die Kapitel sind chronologisch geordnet, die sehr kurzen Abschnitte jeweils mit Ort und Vornamen überschrieben. So entsteht in Sprüngen zwischen deutschen Großstädten und aus zahlreichen Verknüpfungen zu Zeitgenoss:innen ein lebendiges Bild der Zeit von 1926-33, für die u. a. charakteristisch war, dass mehre Elternpaare schreibender Frauen unverblümt aussprachen, sie hätten keine Tochter gewollt. Mit Kurzbiografien und Auswahlbibliografie im Anhang ein informatives Buch, das Interesse am Werk der Autorinnen weckt und sich trotz der Fülle an Orten und Begegnungen flüssig lesen lässt. --- Die dargestellten Autorinnen Vicki Baum 1880-1960 Marieluise Fleißer 1901-74 Mascha Kaléko/Golda Malka Aufen 1907-75 Irmgard Keun/verh. Tralow 1905-82 Erika Mann 1905-69 Ruth Landshoff/ Landshoff-Yorck geb. Levy 1904-66 https://www.aviva-verlag.de/autor-innen-co/ruth-landshoff-yorck/ Gabriele Tergit/Elise Reifenberg geb. Hirschmann/Pseudonym auch Christian Thomasius) 1894-1982