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dajobama

Posted on 15.2.2025

Portrait meiner Mutter mit Geistern – Rabea Edel Eine richtig komplexe Familiengeschichte, die Jahrzehnte und Generationen umspannt. Im Fokus sind hierbei vor allen Dingen die Frauen, von Großmutter Dina, über Selma, Martha und schließlich das Mädchen Raisa. Raisa wächst recht isoliert mit ihrer Mutter Martha auf, die sichtlich Probleme mit ihrer Vergangenheit und ihrer Psyche hat. Sie möchte ihre Tochter schützen – durch rastloses Umherwandern (die Wanderjahre) und Schweigen. Schweigen ist fast so etwas wie eine Hauptfigur dieser Geschichte. Ob es um häusliche Gewalt, verlorene Kinder oder Traumata aus den Kriegsjahren geht. Schweigen und Wegschauen scheinen über viele Jahre lang das Mittel der Wahl zu sein. Doch Raisa will sich damit nicht zufrieden geben. Sie stellt Fragen und wird unbequem. Es ist eine komplizierte Struktur aus Personen und Beziehungen, die sich hier entfaltet. Dankenswerterweise gibt uns die Autorin einen Stammbaum an die Hand, ohne den ich sicherlich den Überblick verloren hätte. Denn die Geschichten und Schicksale der Frauen wiederholen sich durchaus und scheinen fast austauschbar. Verlorene Lieben, gestorbene Kinder, unbekannte Väter. Am Ende sind es drei Generationen, die ohne Väter aufwachsen. Es sind wohl typische Lebensläufe mehrerer Generationen und ein Beispiel dafür, wie Traumata weitergegeben werden. Rabea Edels Erzählstil macht diesen Roman zu etwas besonderem. Die Geschichte ist geradezu gespickt mit Symbolen. Vieles steht zwischen den Zeilen und ist mehr Gefühl, denn tatsächlich niedergeschriebenes. Man muss sehr aufmerksam lesen um all die versteckten Verbindungen und Hinweise nicht zu übersehen. Frau Edel schreibt elegant, oft poetisch und sehr atmosphärisch. Dabei ist ihr Werk spannend wie ein Krimi. Man ist versucht mitzurätseln und Mutmaßungen anzustellen. Dieses extrem dichte Werk macht es seinen Lesern sicherlich nicht leicht. Teilweise ist es wirklich mühsame Arbeit, sich im scheinbar undurchdringlichen Geflecht von Generationen und Geschehnissen nicht komplett zu verheddern. Dennoch entsteht ein Sog, der einfach immer weiterlesen lässt. Und tatsächlich entsteht am Ende eine runde Geschichte, die man sich Stück für Stück erarbeiten musste. Der Inhalt ist oft schwer zu ertragen, auch wenn das meiste nur angedeutet wird. Doch die eigene Fantasie blüht in der eher schwermütigen Atmosphäre geradezu auf. Es ist oft mehr Fühlen denn Lesen. Große literarische Kunst. Klare 5 Sterne und eine große Leseempfehlung.

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