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gwyn

Posted on 12.2.2025

«Er konnte es nicht leugnen. Er war ein Feigling.» Der Neurochirurg Davide Ricci weiß alles über das menschliche Gehirn und die menschliche Psyche. Glaubt er. Aber stimmt das? Als er ein Restaurant betritt, in dem er mit seiner Familie verabredet ist, befindet sich seine Frau bereits dort, wird in diesem Augenblick von einem Mann massiv belästigt. Anstatt ihr zur Hilfe zu kommen, erstarrt Davide, versteckt sich dann hinter einer Gruppe von Touristen, hofft, dass sein Sohn ihn nicht erkannt hat. Ein fremder Mann hilft Barbara gegen diesen extrem übergriffigen Mann, packt ihn, schiebt ein Messer zwischen seine Beine und hält ihm eine Ansprache über sein Benehmen. «Manche hielten auch jedes frühere Zeitalter für besser, einfach, weil es früher war. Doch das würde logischerweise heißen, dass die glückliche Zeit der Menschheitsgeschichte mit den ersten Zuckungen eines Urmenschen im Pleistozän zusammenfiel.» Wie geht man mit Gewalt um, wenn man ihr im Alltag persönlich begegnet? Die Klappe halten mit Haltung? Weglaufen – was nicht immer möglich ist. Davide ist beeindruckt von dem Fremden, der Barbara zur Hilfe kam. Wie macht der das? Und überhaupt, sollt man nicht manchmal Eier in der Hose haben und Gewalttätigen entgegentreten und ihnen zeigen, wo der Hammer hängt? Gern würde Davide seinem Nachbarn Massimo Lenci mal so richtig die Meinung über den Lärm seiner Nachtbar geigen. Gewalt ist keine Lösung. Davide ist intellektuell. Oder doch, sollte man …? Unsicher, mit seinen Gefühlen umzugehen, freundet sich Davide mit Diego an, dem mutigen Mann aus dem Restaurant. Der Roman ist eine langsam aufbauende Geschichte mit vielen Randerzählungen und Gedanken von Davide, teils recht abschweifend. «‹Weißt du, auf was ich hier mit Daumen und Mittelfingen drücke?› fragte Davide leise. ‹Wohl kaum. Man nennt das Sinus caroticus. Ein sehr interessanter Punkt, weißt du das?›» Viel Personal wird aufgefahren, da es gleichzeitig auch um Barbara, die Frau von Davide geht und den Sohn Tomasso, ein Jugendlicher. Letztendlich sind es drei Geschichten, die sich kreuzen, bei denen ich manchmal den Faden verloren habe. Wo will Fabio Bacà eigentlich hin, habe ich mich manchmal gefragt. Erzählen kann er, auch philosophieren – einige Passagen habe ich genossen. Und dann habe ich wieder Seiten geblättertquergelesen … Sprachlich auf jeden Fall sehr lesenswert, auch das Grundthema fand ich interessant. Aber insgesamt war mir das alles zu zerrissen, zu viel auf einmal, zu abschweifend an vielen Stellen. Das Thema hätte sich in dieser Form prägnant als Essay geeignet. So ist mir persönlich zu viel drumherum erzählt worden, um den Text aufzublasen – auch wenn das ein oder andere Interessante dabei war. Fabio Bacà, 1972 in San Benedetto del Tronto geboren, lebt in Alba Adriatica. Er hat einige Jahre als Journalist gearbeitet, bevor er 2019 seinen hochgelobten Debütroman »Benevolenza Cosmica« (Adelphi) veröffentlichte. »Nova« wurde unter anderem für den wichtigsten italienischen Buchpreis, den Premio Strega, nominiert und ist Bacàs erster Roman, der auf Deutsch erscheint.

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