
kupfisbuecherkiste
Kyra Sullivan hat ein System entwickelt, das einerseits seinesgleichen sucht, aber auch viele Risiken birgt. Mit ihrem System Kassandra ist es möglich, Erinnerungen eines Menschen an einen andren Menschen zu übertragen. Eigentlich zu guten Zwecken entwickelt, hat dieses System auch viele Nachteile, so dass das System offiziell noch nicht in Betrieb genommen wurde. Erst als ein paar Morde geschehen, bei deren Ermittlung Kyra eingebunden ist, soll das System zum Einsatz kommen. Bei den Morden handelt es sich um Morde, die immer wieder zur gleichen Zeit geschehen. Kyra wird als Psychologin hinzugezogen und soll erneut bei den Ermittlungen helfen. Der Haken ist nicht nur das System. Kyras Schwester wurde vom gleichen Mörder ermordet, die Familie leidet immer noch unter den Folgen. Kyra will den Mörder fassen: doch der sitzt eigentlich bereits im Gefängnis. Andererseits hatte sie seit Beginn der Ermittlungen den Verdacht, dass der Mörder die neueren Morde gar nicht begangen hat. Und so setzt sie ihr System Kassandra ein und verbindet sich mit dem Mörder. Mit weitreichenden Folgen. Das grundsätzliche Gedankenmodell, Morde mit einem Erinnerungssystem zu lösen, fand ich erstmal sehr interessant. Aber wie die Autorin schnell erkennen lässt: dieses System hat im Moment noch mehr Tücken als Vorteile. Die Polizeiermittler lassen schnell erkennen, dass dieses System als offizielles Beweismittel nicht anerkannt werden kann. Die Erinnerungsübertragung ist nur zwischen zwei Menschen möglich, Außenstehende haben keine Möglichkeit, das Erlebte zu verifizieren. Zudem muss Kyra eingestehen: es ist schwer, zwischen Vision und Realität zu unterscheiden, und es fällt ihr zusehend schwer, hier eine Trennung zu vollziehen. Auch die Kollegen Kyras sind schnell genervt. Sie haben eigentlich einen Täter, bzw. ermitteln in andere Richtungen, und Kyra macht sich unglaubwürdig. Witness X ist eine Geschichte, die nicht nur wegen dem Inhalt es einem eiskalt den Rücken herunterlaufen zu lassen. Allein der Gedanke, dass jemand in den eigenen Gedanken kramt, und sich vielleicht unkontrolliert in den Gedanken zu bewegen, gruselt einen. Die Autorin – so mein persönlicher Eindruck – spielt mit den Nachteilen, und spricht diese bewusst an. Die psychischen Folgen sind nicht abzusehen. Dies hinterlässt bei mir bereits ein ungutes Gefühl. Da ich die Hörbuchversion gehört habe, fiel es mir auch zum Teil schwer, dem Geschehenen zu folgen: was ist harte Realität gewesen, und was waren die Visionen, die Kyra erlebt haben. Ihr Wille, den Fall zu lösen, ergibt sich aus ihrer Familiensituation, den Mord an ihrer Schwester aufzuklären. Und doch finde ich gerade diesen Willen an mancher Stelle fast zu viel. Sie ist überzeugt von ihrem System, das sie ihren Ermittlerkollegen fast schon aufdrängen will. Gleichermaßen begibt sie sich – ob zurecht auf Grund ihrer Visionen oder auch eben nicht – in Gefahr, als sie sich im letzten Teil des Buches eigenmächtig ohne Zuspruch der Kollegen dem Täter stellt. Die Grundidee des Buches ist ein spannender Ansatz. Aber mit der Hauptprotagonistin Kyra wurde ich im ganzen Buch nicht ganz warm, es fehlte mir gewissermaßen Symphatiepunkte, bei denen ich ansetzen konnte. Ihre Beweggründe, den Täter zu finden, sind klar, und doch wirkt sie arrogant, eigenbrötlerisch und man fühlt sich ihr nicht ganz verbunden. Zugegeben, keiner der Protagonisten holte mich ganz ab. Der Einstieg, bei dem es um die Erinnerungen eines Afghanistan-Einsatzes gingen, erschloss sich mir nicht ganz. Zwar wird hier das Grundprinzips des Systems Kassandra erklärt, die Verbindung zum restlichen Handlungsstrang bleibt bis zum Schluss für mich offen. Da es bei dem System für mich mehr Nachteile als Vorteile gibt, bleibt für mich die Essenz offen. Wenn es so schwer fällt, dieses System anzuwenden, bleibt für mich die Fragestellung offen, warum man es anwenden sollte. Welchen Mehrwert hatte die Idee des Systems, dieses in eine Geschichte zu verpacken? Der Fall selbst ist spannend genug, und hätte vermutlich auch ohne System gelöst werden können. Ein Buch, das mich von der Beschreibung zwar angesprochen hat, aber leider auch entsprechend etwas ratlos hinterlassen hat.