Profilbild von bookloving

bookloving

Posted on 10.2.2025

*Ein bewegender Roman über Ungleichheit und Verbundenheit* In dem bewegenden Roman "Halbe Leben" zeichnet die Autorin Susanne Gregor ein eindringliches Porträt zweier Frauen aus unterschiedlichsten Lebenswelten, deren Lebenswege sich für kurze Zeit kreuzen und in einer Tragödie münden. Im Mittelpunkt der fesselnden Erzählung stehen zwei Protagonistinnen, die kaum unterschiedlicher sein könnten: die erfolgreiche Architektin Klara und die slowakische Pflegekraft Paulína, von Klara für ihre leicht demente Mutter nach deren Schlaganfall einstellt wurde. Der Roman beginnt mit einem erschütternden Ereignis - dem tödlichen Absturz der Protagonistin Klara während einer Wanderung, dessen einzige Zeugin ausgerechnet Paulína ist. Gregor versteht es mit diesem dramatischen Auftakt hervorragend, uns auf Anhieb in die Geschichte hineinzuziehen und eine intensive Atmosphäre von Spannung und Ungewissheit zu schaffen. Einfühlsam entfaltet sie die Vorgeschichte dieses tragischen Vorfalls in einer spannenden Mischung aus Gegenwart und geschickt eingestreuten Rückblenden und enthüllt nach und nach die komplexe Beziehung zwischen den beiden Charakteren. persönliche Einblicke in seinen Lebensalltag Kritisch erkundet Gregor auch tiefer liegende gesellschaftliche Themen und beleuchtet dabei insbesondere die Komplexität von Pflegearbeit und die oft unsichtbaren Opfer, die damit verbunden sind. Mit ihrem klaren, prägnanten Schreibstil gelingt es der Autorin hervorragend, neben den eindringlichen Schilderungen der Emotionen und Gedanken der Charaktere auch eine sehr unheilvolle Stimmung einzufangen, wodurch die Geschichte eine unwiderstehliche Sogwirkung entfaltet. Mit ihren beiden Protagonistinnen Paulína und Klara hat die Autorin vielschichtige Charaktere geschaffen. Die Autorin versteht es sehr gut, ihre Verletzlichkeiten, emotional aufgewühlte Verfassung und komplexe Gedankenwelt anschaulich und eindringlich zu vermitteln, so dass man sich hervorragend in ihre Lage hineinversetzen und mitfühlen kann. Paulínas Schicksal steht stellvertretend für viele osteuropäische Pflegekräfte, die ihre Kinder in der Heimat zurücklassen müssen, um aufgrund einer finanziellen Notlage im Ausland zu arbeiten. Zutiefst bewegend schildert die Autorin ihre Bemühungen, sich in der fremden Umgebung zurechtzufinden, während sie mit Heimweh und der Sorge um ihre Kinder zu kämpfen hat. Deutlich wird ihre innere Zerrissenheit spürbar, die das Leben zwischen zwei Welten mit sich bringt. Klara als Verterterin der privilegierten Schicht der Gesellschaft hat damit zu kämpfen, ihre beruflichen Ambitionen mit der Pflege ihrer Mutter und familiären Verpflichtungen in Einklang zu bringen. Unbeabsichtigt, doch spürbar, offenbart sie ein ignorantes und oftmals herablassendes Verhalten gegenüber den schwierigen Lebensumständen und vielfältigen Herausforderungen, mit denen Paulína im Alltag konfrontiert ist. Gregor zeichnet ein facettenreiches und psychologisch stimmiges Bild der Figuren und der Entwicklung einer zarten Freundschaft, die über das anfänglich rein professionelle Verhältnis hinausgeht, aber trotz physischer Nähe letztlich emotional distanziert bleibt. . Feinfühlig und eindrucksvoll arbeitet sie die feinen Machtstrukturen und Gegensätze zwischen den beiden Frauen heraus. Ihr gelingt es hervorragend, die zögerlich aufgebaute Nähe und Zerbrechlichkeit ihrer komplexen Beziehung aufzuzeigen, die immer wieder durch Missverständnisse sowie soziale und kulturelle Hindernisse belastet wird. Nuanciert beleuchtet sie die oft unsichtbaren Hierarchien, die durch gesellschaftlichen Strukturen und ökonomische Abhängigkeit entstehen sowie die Grenzen eines Arbeitgeber- und Angestelltenverhältnisses. Geschickt wirft die Autorin darüber hinaus kritische Fragen zu der Situation ausländischer Pflegekräfte, dem Spannungsfeld zwischen Familie und Beruf sowie den Herausforderungen einer alternden Gesellschaft auf. Somit erweist sich "Halbe Leben" als facettenreiches Kaleidoskop, das aktuelle gesellschaftliche Strömungen einfängt und zum Nachdenken und kritischen Hinterfragen anstößt. FAZIT Ein feinfühliger Roman über soziale Ungleichheit, kulturelle Gegensätze und die unsichtbaren Opfer der Pflegearbeit. Ein eindringliches Werk, das zum Nachdenken anregt – über Machtstrukturen, menschliche Abgründe und die Frage nach Gerechtigkeit im Alltag.

zurück nach oben